Ecuador / Politik

Ecuador: Mord an Gefängnisdirektorin

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Der Dienstausweis der Ermordeten wurde am Tatort fotografiert
Der Dienstausweis der Ermordeten wurde am Tatort fotografiert

Quito. Unbekannte haben María Icaza, die Leiterin des größten Gefängnisses von Ecuador, am 12. September auf ihrem Arbeitsweg ermordet. Die Täter sollen Icaza beim Verlassen des Gefängnisses Penitenciaría del Litoral in der Hafenstadt Guayaquil aufgelauert, ihr Auto verfolgt und sie unterwegs erschossen haben. Nach Presseinformationen soll es zuvor Drohungen gegen Icaza gegeben haben.

Die Tat reiht sich ein in eine Serie von Mordanschlägen auf ecuadorianische Gefängnisbeamte. Nur neun Tage zuvor wurde Álex Guevara, Direktor einer Haftanstalt in der Amazonasregion, ebenfalls ermordet und wenige Tage davor zwei weitere Gefängnismitarbeiterinnen, die ebenfalls in Guayaquil tätig waren.

Im Falle des Mordes an Guevara wurde am Tatort eine Nachricht gefunden, die der Choneros Bande und ihren Unterstützer:innen dasselbe Schicksal androht. Die Choneros sind die größte Gang Ecuadors und kontrollieren das Gefängnis in dem Guevara tätig war. Im Jahr 2020 wurde ihr damaliger Anführer ermordet, was einen landesweiten Bandenkrieg auslöste und dazu beitrug, dass sich die Mordrate zwischen 2019 und 2023 versiebenfachte. Die Zusammenstöße zwischen den rivalisierenden Banden sind auch der Grund dafür, dass sich seit 2021 über 400 Mordfälle in den Gefängnissen des Landes ereignet haben.

Die Lage eskalierte Anfang Januar 2024 weiter, als in mehreren Gefängnissen Unruhen ausbrachen und über 200 Geiseln genommen wurden, darunter Polizist:innen und Gefängniswärter:innen. Im Rahmen der Ereignisse flohen etwa 100 Insassen und mehrere Menschen kamen zu Tode.

Präsident Noboa, Vertreter einer Law and Order Politik, setzte daraufhin das Militär zur Kontrolle der Gefängnisse ein. Mit brutalen Methoden und Folter gelang es den Soldat:innen die Massaker zu beenden. Menschenrechtsorganisationen warnten jedoch bald darauf davor, dass es zu einer humanitären Krise in den Gefängnissen gekommen sei und es an Trinkwasser, Lebensmitteln und einer angemessenen medizinischen Versorgung der Gefangenen fehle. Nach Informationen des Newsportals Extra sollen die Gefängnisse auch nach wie vor unter Kontrolle der Gangs stehen, Gefangene teils Zugang zu Waffen haben und Abmachungen mit Polizei und Militär unterhalten.

Mario Pazmiño, ehemaliger Chef des ecuadorianischen Geheimdienstes, sagt: "Das organisierte Verbrechen hat hierarchische Strukturen. Die Rädelsführer sitzen vielleicht im Gefängnis, aber außerhalb haben sie andere Anführer, die die Geschäfte leiten."

Einer Polizeiquelle zufolge könnte der Mord an Icaza die Vergeltung dafür gewesen sein, dass sie sich geweigert habe die Forderung einer Gang zu erfüllen. "Kriminelle Gruppen bedrohen weiterhin das Personal. Wenn ein Häftling freigelassen wird, den sie nicht in Freiheit sehen wollen, beginnen die Einschüchterungen. Sie töten jeden, den sie für verantwortlich halten," so ein Gefängnismitarbeiter über die kriminellen Banden.

Die Macht der Gangs ist nach Meinung von Olivier De Schutter, UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte, aufgrund der Armut und der Arbeitslosigkeit in Ecuador so groß. Durch die verbreitete Perspektivlosigkeit falle es den Gangs leicht neue Mitglieder zu rekrutieren, besonders unter jungen Menschen. De Schutter zufolge könnte diese Entwicklung durch sozialpolitische Maßnahmen gestoppt werden, aber die neoliberalen Regierungen von Noboa und seinen beiden Vorgängern hätten kaum Schritte in diese Richtung unternommen.