Argentinien / Soziales

Mileis "Kettensäge-Politik" in Argentinien trifft die Ärmsten, Sozialküchen werden behindert

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Vor allem Frauen, Familien mit niedrigen Einkommen und Personen, die in Armut leben, sind in Argentinien von Mileis Politik betroffen
Vor allem Frauen, Familien mit niedrigen Einkommen und Personen, die in Armut leben, sind in Argentinien von Mileis Politik betroffen

Buenos Aires. Während in Deutschland Politiker wie der FDP-Vorsitzende und wirtschaftsorientierte Kommentatoren die von Argentiniens Präsident Javier Milei propagierte "Politik der Kettensäge" als Erfolgmodell feiern, wird die Situation für die ärmere Bevölkerung im Land immer prekärer.

Argentinien befindet sich infolge der von Milei angewandten "Schocktherapie" in einer der schwersten Rezessionen der jüngeren Geschichte und ist mit -3,6 Prozent im Jahr 2024 das einzige lateinamerikanische Land ohne Wirtschaftswachstum. Nach Schätzungen der Beobachtungsstelle für die Sozialverschuldung der Argentinischen Katholischen Universität (Odsa-Uca) betraf die Armut im dritten Quartal 49,9 Prozent der Bevölkerung und die extreme Armut 12,3 Prozent.

Diese Zahlen bedeuten zwar einen leichten Rückgang gegenüber den ermittelten 51 Prozent bzw. 15,8 Prozent im zweiten Quartal. Sie gehören dennoch zu den höchsten Zahlen seit 2004. Auf jeden Fall sind die Indikatoren noch nicht auf das Niveau des vierten Quartals 2023 gesunken, nachdem sie in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 unmittelbar nach dem Amtsantritt von Milei ihren Höchststand erreicht hatten.

Die Armut bei Kindern unter 18 Jahren liegt nach Schätzungen der UCA bei 65,5 Prozent, während sie 2023 bei 62,9 Prozent lag. Die extreme Armut bei Kindern stieg von 16,2 Prozent im vergangenen Jahr auf 19,2 Prozent im dritten Quartal 2024. Dies bedeutet, dass derzeit zwei von zehn Kindern in extremer Armut leben.

Dem Bericht zufolge sank das reale Arbeitseinkommen zwischen 2022 und 2024 um fast 19 Prozent, allerdings mit erheblichen Unterschieden je nach Berufsgruppe: bei formellen Arbeitsplätzen beträgt der Rückgang 12,6 Prozent und bei informellen Arbeitsplätzen sogar mehr als 20 Prozent. Aktuell haben nur noch vier von zehn Erwerbstätigen eine Vollbeschäftigung, 51,8 Prozent der erwerbstätigen Argentinier zahlen keine Sozialversicherungsbeiträge.

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Derzeit erhalten 36,3 Prozent der Haushalte direkte oder indirekte Unterstützung vom Staat, der Provinz oder der Gemeinde. Die wichtigsten Programme sind das Allgemeine Kindergeld (AUH) und die Lebensmittelkarte, die zusammen 50 Prozent des Grundnahrungsmittelkorbs und 25 Prozent des gesamten Lebensmittelkorbs abdecken.

In früheren Jahren waren vor allem die als Ollas Populares bekannten Sozialküchen Wahrzeichen des Widerstands und der Selbstorganisation, verantwortlich für die Versorgung großer Teile der sozial gefährdeten Arbeiterfamilien. Seit dem Staatsbankrott von 2001 haben sie sich zu einer tragenden Säule der Gesellschaft entwickelt.

Der Staat hatte diese Einrichtungen früher durch Belieferung mit Grundnahrungsmitteln maßgeblich unterstützt. Die Regierung Milei hat diese Lieferungen unter dem Vorwand von Überprüfungen eingestellt. Milei wirft verschiedenen Bewegungen, die Ollas Populares betreiben, pauschal Erpressung vor und drängt auf weitere Untersuchungen.

Die Sozialküchen hatten sich mit dem Ziel organisiert, nicht nur die Bedürftigsten zu ernähren, sondern auch eine Gemeinschaft für Eltern zu schaffen, die niemanden für die Kinderbetreuung während ihrer Arbeitszeit haben. Gemeinsam versuchen die Menschen, sich um die Kinder zu kümmern und auch den Drogenhandel einzudämmen.

"Selbst wenn Vater oder Mutter arbeiten gehen, können sie oft nicht die ganze Familie ernähren. Und aus der gleichen Sorge heraus fangen Eltern und Kinder manchmal an, Drogen zu konsumieren oder an jemand anderen zu verkaufen, damit eine weitere Münze ins Haus kommt," sagt Alicia Casimiro, Koordinatorin einer Sozialküche.