Tegucigalpa. Die "Sonderzone für Entwicklung und Beschäftigung" (ZEDE) Próspera droht dem honduranischen Staat mit einer Klage über 10,7 Milliarden US-Dollar vor einem privaten Schiedsgericht. Wirtschaftsminister Pedro Barquero machte diese Summe vergangene Woche öffentlich.
Laut Barquero entspricht sie nahezu der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes des zentralamerikanischen Landes. Zum Vergleich: Der Staatshaushalt für 2023 beträgt umgerechnet knapp 15,9 Milliarden US-Dollar.
Der honduranische Kongress hatte im April einstimmig beschlossen, das ZEDE-Gesetz von 2013 außer Kraft zu setzen (amerika21 berichtete). Es sei per se verfassungswidrig und verletze die Souveränität des Landes, so die Argumentation. Während mit den ZEDE Morazán City und Orquidea offensichtlich Verhandlungen über die Umwandlung in reguläre Freihandelszonen laufen, verteidigt Próspera offensiv sein "libertäres" Modell einer vollständig unternehmergeführten Privatstadt mit eigenen Gesetzen, einer eigenen Citzenship und demnächst auch einer eigenen Bank.
Morazán City hatte bislang die Bereitschaft geäußert, sich in eine konventionelle Freihandelszone umzuwandeln, jedoch gab es keine Einigung mit Regierungsinstanzen über die Bedingungen. In einer Pressemitteilung vom 7. November deutet die Privatstadt nun an, gegebenenfalls auch den Weg einer Auseinandersetzung vor einem privaten Schiedsgericht zu wählen. Nach einer Demonstration der Umweltorganisation Arcah gegen Morazán City bedrohte deren Vorsitzender, der italienische Pharmaunternehmer Massimo Mazzone, zudem den Arcah-Koordinator Christopher Castillo per Twitter. Dem folgte am Abend des 6. November eine willkürliche Polizeikontrolle mit der Androhung einer Festnahme des prominenten ZEDE-Gegners Castillo.
Das Privatstadt-Projekt Próspera internationaler Investor:innen beruft sich indes auf das zentralamerikanische Freihandelsabkommen mit den USA, Kanada und der Dominikanischen Republik (DR-Cafta) und ein Investitionsschutzabkommen mit Kuwait. DR-Cafta ist ein Freihandelsabkommen zwischen Costa Rica, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und den USA
Zudem nimmt Próspera für sich in Anspruch, auch nach Abschaffung des ZEDE-Gesetzes eine 50-jährige Bestandsschutzgarantie zu haben. Letzteres ist strittig, da der entsprechende Vertrag offensichtlich nicht mit dem honduranischen Staat, sondern zwischen eigenen Organen der ZEDE abgeschlossen wurde.
Die Unternehmensgruppe wird von der Anwaltskanzlei White & Case mit Sitz in New York vertreten. Diese hatte dem Wirtschaftsministerium Mitte September ein Ultimatum von 90 Tagen gesetzt: Entweder der Staat verhandle oder im Dezember werde ein Schiedsgerichtsverfahren angestrengt. Laut Minister Barquero waren jedoch die Vorbedingungen nicht akzeptabel.
Am 3. November wiederholte Próspera sein Ultimatum, das Mitte Dezember abläuft. Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr, muss die Abschaffung des ZEDE-Gesetzes doch im Januar 2023 nochmals vom Kongress ratifiziert werden, da die Privatstädte in Honduras sogar Verfassungsrang haben.
In der "Notice of Intent" vom September merkt White & Case an, die Próspera-Unternehmensgruppe habe hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen, fast 100 Unternehmen gegründet oder für die Geschäftstätigkeit in der ZEDE registriert. Auf Roatán habe man bisher mehr als 500 reale und virtuelle Einwohner:innen, man modernisiere gerade ein benachbartes Luxus-Resort und baue unter anderem Gebäude für Telearbeit und die Herstellung von Leichtrobotern.
Próspera beansprucht auch ein Territorium auf dem Festland, nahe dem Hafen von La Ceiba, das bis zu deren Ausstieg von einem Tochterunternehmen der Technischen Universität München entwickelt werden sollte.
Die Próspera-Unternehmensgruppe habe, so White & Case, außerdem Tochtergesellschaften in Honduras gegründet, sie stelle die notwendige Infrastruktur für ein internationales Finanzzentrum, Leichtindustrie, "hochqualifizierte Arbeitskräfte in abgelegenen Gebieten", den Medizintourismus und drei Energieprojekte zur Verfügung und plane, bis 2025 500 Millionen US-Dollar im Land zu investieren.
Presseberichten zufolge kommen die Investor:innen von Próspera aus den USA, Honduras, Guatemala und Deutschland.
Der stellvertretenden Leiter der US-Botschaft, Roy Perrin, hatte im September Próspera besucht, die US-Botschaft twitterte über die "Bedeutung von Rechtssicherheit für Investitionen in Honduras", was für diplomatische Verstimmungen sorgte (amerika21 berichtete). Die deutsche Botschaft unterstützte in einem Tweet die Position der USA: Die "verantwortungsvolle Ausübung der üblichen Aufgaben von Botschafter:innen" sei keine Einmischung in die Angelegenheiten eines Landes.
Am 4. November haben Minister Barquero und der Geschäftsführer des Próspera-Finanzzentrums, José Luis Moncada, laut Medienberichten in einer TV-Sendung angekündigt, Gespräche über die Zukunft der Privatstadt aufnehmen zu wollen. Offiziell bestätigt wurde dies noch nicht.