EU verfehlt auf dem Gipfel mit den Celac-Ländern das Thema

Lateinamerika mit klaren Vorschlägen zu einer biregionalen Kooperation, EU will Manövriermasse gegen Russland und "Global Gateway". Celac betont Entwicklung und gerechte Wirtschaftsbeziehungen

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Lateinamerika und die Karibik treffen die EU
Lateinamerika und die Karibik treffen die EU

Brüssel. Der dritte Gipfel der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) und der Europäischen Union (EU) ist nach zwei Tagen zu Ende gegangen. Aus Lateinamerika und der Karibik waren Staats- und Regierungschefs, Außenminister und hochrangige Beamte nach Brüssel gekommen, um mit der Spitze der EU neue Dynamik für die biregionalen Beziehungen zu vereinbaren.

Die politischen Führungen der Celac-Länder kamen mit der Absicht, "die großen Herausforderungen wie Klimawandel, Armut und Ungleichheit zwischen den Nationen“ gemeinsam mit Europa in Angriff zu nehmen, wie der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen und turnusmäßige Celac-Vorsitzende Ralph Gonsalves in seiner Eingangsrede erklärte.

Der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel drückte in seiner Rede die Überzeugung aus, "dass wir bessere Beziehungen aufbauen können und müssen: gerechter, ausgewogener, unterstützender und kooperativer, um das Leben unserer Völker zu verbessern".

Vertreter der EU hatten bereits im Vorfeld des Gipfels nicht mit Rhetorik gespart. Man wolle Lateinamerika "auf Augenhöhe" begegnen. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einer "strategischen Partnerschaft EU-Lateinamerika" (amerika21 berichtete). Gleichwohl belastete die EU während beiden Gipfeltagen die Begegnung mit geopolitischen Interessen, die sie aus ihrer Rivalität mit Russland und China bestimmt.

Zum Abschluss des Treffens zeigte die europäische Seite demonstrative Zufriedenheit. "Das war ein sehr erfolgreiches Treffen" und hätte "eine lang vermisste Tradition" wieder aufgegriffen, so der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Der EU-Ratsvorsitzende Charles Michel sprach von einem "politischen Erfolg". Und die EU-Kommissionspräsidentin erklärte: "Es fühlt sich an wie ein Neuanfang unter alten Freunden".

Nüchterner äußerte sich der argentinische Präsident Alberto Fernández zu den Ergebnissen. Der Gipfel habe Berührungspunkte zwischen den beiden Regionen aufgezeigt und die Notwendigkeit des Friedens in Europa bekräftigt. Er könne zudem begrüßen, dass die Vision von Lateinamerika und der Karibik als Rohstofflieferant allmählich überwunden werde.

Der Krieg in der Ukraine nahm durch die Vorgaben der EU einen größeren Raum ein, das Drängen auf eine Russland verurteilende Erklärung blieb jedoch ohne Ergebnis. Mehrere Vertreter der Celac erklärten ihre Sicht auf den Konflikt.

Der brasilianische Präsident Lula da Silva bekräftigte in seiner Eröffnungsrede seine bekannte Position. Der Krieg in der Ukraine sei nur ein weiterer Fall, in dem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht in der Lage ist, den Frieden zu sichern. "Oft halten seine eigenen Mitglieder die UN-Charta nicht ein", so Lulas Verweis auf Kriege, die die USA und andere westliche Länder geführt haben. Brasilien unterstütze alle Initiativen, "die einen sofortigen Waffenstillstand, eine Einstellung der Feindseligkeiten und einen Verhandlungsfrieden fordern", so Lula weiter. "Die Aufteilung der Welt in antagonistische Blöcke wäre Wahnsinn". Man könne die Lösung der globalen Probleme der Menschheit "nicht auf später verschieben".

Das Gipfeltreffen sei "der richtige Zeitpunkt, um zu sagen: Genug ist genug. Eine andere Welt ist möglich, und wir müssen sie gemeinsam aufbauen", forderte Lula da Silva.

Weitere Anwesende aus Lateinamerika und der Karibik äußerten sich ähnlich. Der Celac-Vorsitzende Gonsalves sagte zum Konflikt in der Ukraine, dass "die Geister der Vergangenheit noch nicht aus den Köpfen derjenigen vertrieben wurden", die die Weltwirtschaft seit dem 18. Jahrhundert dominiert hätten.

Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, die gerade für die turnusmäßige Celac-Präsidentschaft im Jahr 2024 gewählt wurde, sagte in ihrer Rede vor dem Plenum, der Krieg in der Ukraine müsse beendet werden. "Die Europäische Union und Celac sind verpflichtet, einen Weg zum Frieden zu finden. Wir können nicht mit dem Alptraum leben, dass eines Tages die Hölle über uns alle hereinbrechen könnte. Waffen in Milliardenhöhe wandern in den Krieg, aber wir sind nicht in der Lage, die ganzheitliche Entwicklung der Menschheit mit den von den Vereinten Nationen in der Agenda 2030 vorgeschlagenen Zielen für nachhaltige Entwicklung zu gestalten".

Im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen standen das unfertige Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur) und das europäische Investitionsprogramm "Global Gateway" im Mittelpunkt, mit dem die EU eine Diversifizierung ihrer Rohstoffquellen anstrebt. Die EU werde 45 Milliarden Euro in Lateinamerika und der Karibik investieren, kündigte von der Leyen in Brüssel an. Die EU bekundete ihre Absicht, den Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen und die Region nicht länger als bloßen Rohstofflieferanten zu betrachten.

"Mehr als 135 Projekte sind bereits in der Pipeline, von sauberem Wasserstoff bis zu kritischen Rohstoffen, vom Ausbau leistungsfähiger Datenkabelnetze bis zur Produktion modernster RNA-Impfstoffe", sagte von der Leyen. Die EU werde in "erstklassige Technologie und hochwertige Ausbildung für lokale Arbeitskräfte" investieren, stellte sie in Aussicht. Ferner hob sie das Potenzial Lateinamerikas und der Karibik im Wind- und Solarsektor hervor. Europa strebe danach, der "bevorzugte Partner" für Lateinamerika und die Karibik zu sein. Es handele sich um einen "Neubeginn einer alten Freundschaft" zwischen Europa und Lateinamerika und der Karibik.

Ein weiterer Punkt auf dem Gipfel war die Verurteilung der US-Blockade gegen Kuba und die Sanktionen der USA und der EU gegen Venezuela und Nicaragua.

Die honduranische Präsidentin rief dazu auf, auf dem Gipfel eine Resolution für ein Ende der Blockade gegen Kuba zu verabschieden. In Hinsicht auf die westlichen Sanktionen gegen Venezuela erklärte sie: "Wir müssen der Piraterie und der Konfiszierung von Vermögenswerten ein Ende setzen, denn wir alle sind dem Risiko ausgesetzt, dass wir eines Tages feststellen, dass unsere Reserven in ausländischen Banken eingefroren wurden. Wir erheben unsere Stimme für die Rückgabe aller dem venezolanischen Volk rechtswidrig vorenthaltenen Vermögenswerte und für die Beseitigung der Hindernisse, die es uns nicht erlauben, unsere Handelsbeziehungen mit Schwesterländern wie Nicaragua zu normalisieren".

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Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez machte das Beste aus der Begrüßung von Venezuelas Vizepräsidentin
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez machte das Beste aus der Begrüßung von Venezuelas Vizepräsidentin

Die Teilnahme der venezolanischen Vizepräsidentin Delcy Rodríguez am Gipfel war von verschiedenen Seiten skandalisiert worden, da sie eine von der EU sanktionierte Politikerin ist. Der argentinische Präsident stellte daraufhin die neue politische Situation in Lateinamerika klar. Er betonte, dass es "notwendig ist, den Weg der Achtung der venezolanischen Souveränität zu vertiefen und gleichzeitig alle möglichen Verhandlungen zu unterstützen, um das demokratische Zusammenleben in Venezuela zu verwirklichen".

In diesem Sinne trafen er und seine Amtskollegen aus Brasilien und Kolumbien und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am ersten Gipfeltag mit den Verhandlungsführern des politischen Dialogs zwischen Regierung und Opposition in Venezuela zusammen, um über den Wahlprozess 2024 zu sprechen. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, die Vizepräsidentin Venezuelas und der venezolanische Oppositionelle Gerardo Blyde Perez nahmen daran teil.

Bei dem Treffen wurde auch die Bedeutung der Aufhebung der Sanktionen gegen das Land erörtert, dafür müssten jedoch "die USA mit am Tisch sitzen".