Venezuela

Ermunterung zum Putsch

Kungebungen beider Lager vor Referendum in Venezuela. Exminister ruft Armee zum Widerstand gegen Präsidenten auf

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Ermunterung zum Putsch
Sieht "höhere Interessen": General a. D. Baduel

Mit Massendemonstrationen beenden Anhänger und Gegner der Regierung in Venezuela ihre Kampagnen zum Referendum über eine Verfassungsänderung. Am Donnerstag waren bereits zehntausende Regierungskritiker durch das Zentrum von Caracas gezogen, um gegen die geplante Novelle zu protestieren. Sie bedroht ihrer Meinung nach die Bürger- und Freiheitsrechte. Demonstrativ schwangen die Demonstranten Fahnen der USA und Spaniens ? zwei Staaten, denen Staatschef Hugo Chávez kritisch gegenübersteht. Die Spannungen mit Madrid gehen auf einen verbalen Schlagabtausch zwischen dem spanischen Monarchen Juan Carlos und Chávez während des Iberoamerikanischen Gipfels Mitte November zurück.

Einen Monat lang hatten Befürworter und Gegner der Reform in Venezuela für ihre Positionen geworben. Für Samstag mobilisierten Sympathisanten der Regierung zum Abschluss ihrer Kampagne in die Innenstadt von Caracas. Auch zu dieser Demonstration wurden Zehntausende Teilnehmer erwartet. Am Sonntag sind gut 16 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner aufgerufen, über die Änderung von 69 der insgesamt 350 Artikel der Konstitution abzustimmen. Zur Wahl stehen sie in zwei Blöcken: 33 Vorschläge hatte Präsident Chávez im August eingebracht, weitere 36 hatte die Nationalversammlung nach Konsultationen mit der Basis vorgeschlagen.

Beobachter bezeichneten die Stimmung im Land Ende der Woche als angespannt. Dazu trugen nicht nur die Provokationen und Übergriffe gewaltbereiter Teile der Opposition bei, sondern auch ehemalige Verbündete des Präsidenten. So lud die Führung der bisherigen Koalitionspartei Podemos den Chef der gleichnamigen bolivianischen Gruppierung nach Venezuela ein. Jorge Quiroga Ramírez aber steht in seinem Land nicht nur in Opposition zur linken Staatsführung unter Präsident Evo Morales, er ist auch ein entschiedener Gegner von Chávez. "Die Venezolaner haben am Sonntag eine goldene Chance, den Diktator Chávez zu stoppen", polterte Quiroga Ramírez, der das Referendum auf Einladung der venezolanischen Koalitionspartei als "Wahlbeobachter" begleiten soll.

Für Aufsehen sorgte indes auch ein Interview mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Raúl Baduel. In der Tageszeitung El Universal rief er die Armeeführung am Freitag zum Widerstand gegen Präsidenten und Referendum auf. Die Reform komme einem "Staatsstreich" gleich, sagte der General a. D.: "Ich möchte daher die gesamten Streitkräfte aufrufen, dem Mandat gerecht zu werden, das ihnen das venezolanische Volk gegeben hat", sagte Baduel. Die Armee dürfe sich nicht zum "Komplizen von partikularen Interessen machen, sondern muss allen Venezolanerinnen und Venezolanern sowie höheren Interessen und Aufgaben unserer Nation dienen"


Die Originalfassung des Artikels in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.