Mexiko / Menschenrechte

Weiterhin keine Spur von verschwundenen Studenten in Mexiko

Unklarheit über Leichenfunde in Geheimgräbern. Angehörige, Kommilitonen und Unterstützer organisieren Suche. Zunehmende Proteste im ganzen Land

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Angehörige der verschwundenen Studenten
Angehörige der verschwundenen Studenten

Mexiko-Stadt. Von den 43 Studenten der Landschule "Raúl Isidro Burgos" in Ayotzinapa fehlt weiterhin jeder Spur. Im Rahmen der Ermittlungen wurden inzwischen 14 weitere Bundespolizisten festgenommen. Sie gaben zu, die festgenommenen Studenten in der Nacht von 26. zum 27. September an die Drogenbande "Guerreros Unidos" übergeben zu haben. Was danach mit ihnen geschah, bleibt unklar.

Bei einer Pressekonferenz am Montag gab der Generalstaatsanwalt Mexikos, Jesús Murillo Karam, bekannt, dass die 28 in einem geheimen Massengrab in Iguala endeckten Leichen nicht zu den verschwundenen Studenten gehören. "Das haben die DNA-Proben bestätigt", so Murillo. Kurz darauf meldete sich der Sprecher der neun Experten der Gerichtsmedizin aus Argentinien zu Wort und relativierte diese Aussage. Die Expertengruppe habe noch keine ausreichenden Resultate. "Wir arbeiten weiter bis wir unsere eigenen Ergebnisse in einem unabhängigen Gutachten vorlegen können, um dann auch den Angehörigen der Familien der verschwunden jungen Männer gerecht zu werden." Dies sei erst in etwa drei Wochen möglich.

Nun werden weitere Leichen aus den am vergangenen Freitag endeckten neun Massengräbern untersucht. Diese wurden von Familienangehörigen und der Bürgerwehr-Organisation von Guerrero (UPOEG) in der Nähe der Gemeinde La Parota gefunden.

Die Untätigkeit der Behörden hat große Wut bei Angehörigen und Kommilitonen der Verschwundenen ausgelöst. Am Montag drangen Protestierende in das Rathaus in Chilpancingo, der Hauptstadt des Bundesstaates Guerrero ein und setzten Teile in Brand. Nachdem die Mitarbeiter und Besucher das Gebäude verlassen hatten, wurden die Eingänge blockiert und in vier Hinterhäusern Feuer gelegt. Als sie von einem Kommando der Sonderpolizei mit Tränengas attackiert wurden, verließ die Gruppe das Gebäude. Wenige Stunden später gab es eine zweite Auseinandersetzung, als Vertreter der regionalen Vereinigung für Lehrer aus Guerrero (Ceteg) versuchten, in das von der Polizei gesperrte Rathaus einzudringen. Sie legten ebenso Feuer. Dabei wurden ein Lehrer und ein Polizist verletzt.

Am Mittwoch bildeten Teile der Lehrer- und Studentenschaft Ayotzinapas und verschiedene soziale Organisationen die "Nationale Volksversammlung". Ab Donnerstag sollen die 81 Sitze der Lokalregierungen besetzt werden.

Weitere Solidaritäts- und Protestaktionen gingen von privaten und staatlichen Hochschulen und Universitäten in ganz Mexiko aus. Sie haben einen zweitägigen Streik angekündigt. Aus dem Bundesstaat Oaxaca wird eine Karawane von Motorradfahrern nach Ayotzinapa fahren, um sich an der Suche nach den Studenten zu beteiligen.

Die Kommunikation zwischen der Regierung und den Eltern der 43 Studenten wurde abgebrochen. Die Angehörigen werfen der Regierung Untätigkeit vor. Informationen über die Ermittlungen erreichten sie nur über die Medien und bei der Vernehmung seien sie schlecht behandelt worden. Die Menschenrechtsorganisation Tlachinollan aus Guerrero hat nun zusammen mit anderen Organisationen und Intellektuellen eine "Suchkommission" organisiert, die bei der Suche nach den Studenten mithelfen wird.

Unterdessen haben 16 Abgeordnete des Europaparlaments ihre Besorgnis über den Fall der verschwundenen Studenten ausgesprochen. Sie fordern die Aussetzung des 2008 unterzeichneten Globalabkommens und des strategischen Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Mexiko sowie deren Neuverhandlung auf Grund der kritischen Menschenrechtslage in Mexiko. Beide Abkommen beinhalten Klauseln, welche die Garantie der Menschenrechte und der Sicherheit der Bürger festschreiben. Diese Klauseln sollen eingehalten werden, so die Parlamentarier: "Die mexikanische Regierung hat sich darauf verpflichtet, die Menschenrechte zu respektieren, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene."

In Deutschland fordern die Menschenrechtskoordination Mexiko und weitere 15 Menschenrechtsorganisationen von der Bundesregierung, die Verhandlungen über das Sicherheitsabkommen mit Mexiko auszusetzen und dem geplanten Abkommen nicht zuzustimmen.