PayPal wegen Durchsetzung der US-Blockade gegen Kuba in Deutschland verurteilt

Dortmunder Unternehmer erwirkt Verfügung gegen Online-Dienstleiter. Unternehmen hatte Konto wegen Kuba-Konzert gesperrt. Viele vergleichbare Fälle

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"Konto eingeschränkt" – Diese Nachricht bekamen offenbar zahlreiche Nutzer, die Produkte aus Kuba anboten
"Konto eingeschränkt" – Diese Nachricht bekamen offenbar zahlreiche Nutzer, die Produkte aus Kuba anboten

Berlin. Der Online-Bezahldienst Paypal ist vor einem deutschen Gericht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren erstmalig verurteilt worden, weil das Unternehmen Kunden außerhalb der USA unter Berufung auf die US-Sanktionsgesetze gegen Kuba Konten sperrt. Das Landgericht Dortmund wies die in Luxemburg ansässige europäische Filiale des Online-Dienstleisters bei einer Strafandrohung von 250.000 Euro an, die Kontosperrung gegen einen Kunden in Nordrhein-Westfalen aufzuheben. In dem Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund, das amerika21 vorliegt, wurde PayPal verboten, dem Unternehmen mit Verweis auf US-amerikanische Embargovorschriften Konten zu sperren, auch wenn bei den Geschäften über Paypal die Begriffe "Kuba", "Cuba", "kubanisch" oder "cubanisch" vorkommen. Der Streit wird nun weiter vor Gericht ausgetragen.

Der Dortmunder Ticketanbieter Proticket hatte Ende vergangenen Jahres Eintrittskarten für das Tanzmusical "Soy de Cuba" sowie ein Konzert mit der kubanischen Sängerin Addys Mercedes angeboten. Ende November sperrte Paypal das Konto von Proticket, über das die Karten bis dahin bezahlt werden konnten. Paypal begründete dies mit den US-Sanktionen gegen Kuba. Auch die europäische Vertretung müsse sich an die US-Gesetze halten, hieß es zur Begründung. Proticket klagte und bekam im einstweiligen Verfügungsverfahren Recht. "Auf den vorliegenden Fall kommt zunächst deutsches Recht zur Anwendung", heißt es zur Begründung.

Das Urteil gegen Paypal ist der vorläufige Höhepunkt jahrelanger Streitigkeiten zwischen dem Online-Dienstleister und Kunden in Deutschland, die Produkte aus Kuba verkaufen. Paypal meint, dass auch in Deutschland US-amerikanisches Recht gilt und damit auch die einschlägigen Gesetze gegen Kuba – Trading with the Enemy Act (1963), Torricelli Act (1992) und Helms Burton Act (1996) – durchgesetzt werden müssen. Das Unternehmen hatte vor diesem Hintergrund mehrfach Konten gesperrt, meist endeten die Konflikte aber in Vergleichen. Dabei verpflichtete Paypal Europe die Kunden in mehreren Fällen zugleich schriftlich, die jeweiligen Konflikte und Vereinbarungen nicht öffentlich zu machen. Proticket hat dieses Vorgehen als erstes betroffenes Unternehmen abgelehnt und geht nun an die Öffentlichkeit.

"Wir führen gerade einen Rechtsstreit wie David gegen Goliath gegen den in Europa marktbeherrschenden Zahlungsdienstleister Paypal", sagte Proticket-Geschäftsführer Karsten Killing gegenüber amerika21. Besonders ärgert den Dortmunder Geschäftsmann die Sperrung des Kontos mit zehntausenden Euro Guthaben. Er wolle daher auch die  Zuverlässigkeit von Paypal beim Umgang mit fremdem Geld prüfen lassen. "Grundlage für einen Zahlungsdienstleister wie Paypal mit einer Bankzulassung in Luxemburg sollte eigentlich ein solider und umsichtiger Umgang mit fremden Geld sein", sagt er.

Killings Anwalt Andreas Eberl verweist auf eine hohe Dunkelziffer ähnlicher Fälle bei Paypal. "Wir haben in unserer Kanzlei immer wieder mit Paypal-Kontosperrungen zu tun, die mit dem Kuba-Embargo der USA begründet werden", sagte er im amerika21-Gespräch. Solche Sperrungen seien rechtswidrig, da das Embargo in Europa nicht anwendbar ist. "Im Gegenteil: Hält man sich an solche Blockaden, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die von der EU geahndet wird", so Eberl weiter. Im Fall von Proticket sei die Sache noch absurder gewesen, da es sich nicht einmal um kubanisch Ware gehandelt habe. "Für viele PayPal-Händler mit Kontosperre wird es also erfreulich sein, dass wir mit dem Urteil des LG Dortmund eine so klare Entscheidung erstritten haben."

Trotzdem zeige sich bei dem Streitfall auch die Gefahr, dass große Konzerne im Internethandel ihre Monopolstellung nutzen, um eigene oder nationale Interessen durchzusetzen. Eberl ist überzeugt: "Ganz unabhängig von der aktuellen Annäherung zwischen Kuba und den USA ist das ein Ausblick in die Probleme, die Kunden und kleine Händler unter TTIP zu erwarten hätten".

Diesen Eindruck hatten bereits Anfang vergangenen Jahres die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion bestätigt. Man verfüge über "keine Erkenntnisse, dass in den Verhandlungen extraterritoriale Rechtsakte der USA diskutiert werden", hieß es damals. Die Bundesregierung fügte damals lediglich an, die US-Maßnahmen gegen die kubanische Regierung seien im Laufe der letzten Jahrzehnte Gegenstand "von zahlreichen Gesprächen" mit der US-Regierung gewesen, "die die Haltung der Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat". Das klang schon damals nicht so, als ob die Bedrohung deutscher Unternehmer durch US-Gesetze von der Bundesregierung besonders ernst genommen wird.

Im Rechtsstreit mit dem Dortmunder Ticketanbieter will Paypal den Konflikt nun auf seine eigene Art lösen: Das Unternehmen hat Proticket das Konto gekündigt, nachdem sich der Ticketanbieter im Verfahren vor dem Landgericht Dortmund nicht auf einen Vergleich und eine Verschwiegenheitsvereinbarung einlassen wollte. Gegenüber amerika21 hat Paypal zum Fall bislang nicht Stellung genommen.

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