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Venezuela nicht auf Agenda der OAS, Opposition wirbt für Sanktionen

Organisation nimmt Krise nicht auf die Tagesordnung. Vertreter des Parteienbündnisses MUD werben für Strafmaßnahmen gegen die Regierung des eigenen Landes

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In Santo Domingo, Dominikanische Republik, findet derzeit die 46. Generalversammlung der OAS statt
In Santo Domingo, Dominikanische Republik, findet derzeit die 46. Generalversammlung der OAS statt

Santo Domingo/Caracas. Die heute endende 46. Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wird bei ihren aktuellen Beratungen in Santo Domingo wider Erwarten nicht über die politische Lage in Venezuela debattieren. Die Regionalorganisation nimmt damit auch Abstand von der Position des umstrittenen Generalsekretärs Luis Almagro, der zuletzt mit einer Initiative gegen die sozialistische Regierung in Caracas gescheitert war.

Almagro, ehemaliger Außenminister von Uruguay, versicherte am vergangenen Sonntag, dass er das Venezuela-Thema niemandem aufdrängen werde. "Ich werde sehr respektvoll mit der Tagesordnung der Versammlung umgehen und dieses Thema nicht behandeln, wenn das weder geplant noch vorgesehen sein wird", sagte er auf einer Pressekonferenz in Begleitung des gastgebenden Außenministers Andrés Navarro. Vor wenigen Tagen erst war Almagro mit dem Versuch gescheitert, Sanktionsmaßnahmen gegen Venezuela auf Basis der Bestimmungen der Interamerikanischen Demokratie-Charta der OAS zu ermöglichen.

Der ehemalige uruguayische Außenamtschef hatte sich gegenüber der venezolanischen Regierung wiederholt äußerst ablehnend geäußert. In der vergangenen Woche veröffentlichte er einen extrem kritischen Bericht über die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in Venezuela. In diesem Zusammenhang erinnerte Almagro daran, dass am 23. Juni der Permanente Rat der OAS zusammentreten werde, um die Angelegenheit erneut zu erörtern.

Nach Auskunft von Diplomaten, die namentlich nicht genannt werden wollten, wird das Venezuela-Thema dennoch inoffizieller Tagesordnungspunkt in Santo Domingo sein. Almagro und seine Fürsprecher würden weiterhin versuchen, die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen, um die in der Demokratie-Charta vorgesehenen Sanktionen einleiten zu können.

Unterdessen besuchte der zweifache Präsidentschaftskandidat des Oppositionsbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) und aktuelle Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles, Anfang der Woche Paraguay und Argentinien. Mit seiner Reise, die ihn auch nach Brasilien führt, will er für die Anwendung der Demokratie-Charta gegen Venezuela werben. Außerdem sucht er Unterstützung für das geplante Referendum zur Absetzung von Präsident Nicolás Maduro, das nach Meinung der Opposition in diesem Jahr stattfinden muss.

Die Regierung von Paraguay hatte als einziges lateinamerikanisches Land die Initiative von OAS-Generalsekretär Almagro unterstützt. Entsprechend herzlich empfing Präsident Horacio Cartes den Gouverneur. Bei einer anschließenden Pressekonferenz sagte Capriles, Venezuela erleide die schlimmste Krise in seiner Geschichte. Es herrsche mehr Armut und Ungleichheit als vor 1999, als Hugo Chávez Präsident wurde. Er warnte vor einer "sozialen Explosion", die Folgen für die gesamte Region hätte. Die lateinamerikanischen Länder könnten nicht unbeteiligt bleiben oder "die Angelegenheit rein diplomatisch erledigen".

In Argentinien traf der Gouverneur mit Präsident Mauricio Macri zusammen. Macri, der nach seinem Wahlsieg im vergangenen November angekündigt hatte, er werde sich für den Rauswurf Venezuelas aus dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur) stark machen, bekräftigte in einem Interview erneut seine "kritische Position" zur Regierung Maduro. Die Situation in Venezuela sei inakzeptabel, es müsse Neuwahlen geben. Dort werde "im alltäglichen Leben kein Menschenrecht mehr respektiert". Vielen Menschen gehe es "sehr schlecht", so der Präsident, der wegen seiner neoliberalen Politik in der Kritik steht und mit zunehmenden Protesten gegen Massenentlassungen und soziale Kürzungen konfrontiert ist.

Der MUD hatte sich jüngst enttäuscht gezeigt, weil Argentinien in der OAS für einen Dialog in Venezuela plädiert und Almagro nicht unterstützt hatte. Auf Nachfragen von Journalisten sagte Capriles nun, es gebe keine Unstimmigkeiten, Macris Haltung gegen die Regierung Maduro sei unverändert. Gegenüber Medienvertretern erklärte er, der MUD hoffe auf die Unterstützung von Argentinien, Paraguay, Uruguay, Brasilien und Kolumbien. "Wir sind gekommen, um euch zu bitten: Lasst uns nicht allein."

Vor dem Präsidentenpalast protestierten Aktivisten verschiedener sozialer Bewegungen gegen seinen Besuch und bezeichneten ihn als "Putschisten".

Nächste Station seiner Reise ist Brasilien, wo Capriles von De-facto-Präsident Michel Temer empfangen wird.