Politische Gefangene in Kolumbien vergiftet: Vier Tote, weitere in Lebensgefahr

epmsc_palmira_gefaengnis_knast_folter_vergiftung_tod_kolumbien_2024.png

Hinter diesen Toren spielte sich das Drama ab: Mindestens vier Menschen starben
Hinter diesen Toren spielte sich das Drama ab: Mindestens vier Menschen starben

jeison_paro_nacional_2021_2024_palmira_kolumbien_cali_streik_protest.jpg

Jeison Lozada, politischer Aktivist und Menschenrechtsaktivist, starb aus noch ungeklärten Gründen im Gefängnis
Jeison Lozada, politischer Aktivist und Menschenrechtsaktivist, starb aus noch ungeklärten Gründen im Gefängnis

Cali/Palmira. Im Gefängnis von Palmira sind diese Woche vier Menschen an einer Vergiftung gestorben. Andere schweben in Lebensgefahr. Eine offizielle Stellungnahme liegt noch nicht vor. Die Informationen kamen durch Mithäftlinge und Krankenhauspersonal an die Öffentlichkeit.

Die Ereignisse spielten sich in den frühen Morgenstunden des 20. Mai im Gefängnis von Palmira ab. Im Hochsicherheitstrakt, in dem vor allem politische Gefangene und Häftlinge des Paro Nacional einsitzen, tranken einige Inhaftierte eine Flüssigkeit, die vermutlich zu der massiven Vergiftung führte. Soweit bekannt, starben drei politische Gefangene der ELN noch vor Ort: Jhon Mario Hortua Grisales, Mario Hortua Grisales und Rangel Bateca Gumercindo.

Ein weiterer junger Mann starb einen Tag später im Krankenhaus. Es handelt sich um Jeison Alejandro Lozada, einen Aktivisten des Nationalstreiks von 2021, der unter anderem zum politischen Wandel in Kolumbien geführt hat. Lozada war seit dem 21. Juli 2021 inhaftiert und verbrachte fast drei Jahre im Gefängnis, weil er für bessere Lebensbedingungen und Gerechtigkeit protestiert hatte.

Mindestens zwei weitere Personen liegen in kritischem Zustand auf der Intensivstation eines nahe gelegenen Krankenhauses. Nach nicht überprüfbaren Quellen soll bei ihnen der Hirntod bereits eingetreten sein. Aus Rücksicht auf die Angehörigen und zu deren Sicherheit werden die Namen nicht veröffentlicht. Darüber hinaus sollen nach Angaben von Gefangenen mindestens fünf weitere Personen auf der Krankenstation der Haftanstalt behandelt werden, über deren Zustand der Verfasserin dieser Meldung nichts bekannt ist.

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen fordern eine sofortige Aufklärung der Umstände der Vergiftung. Sie kritisieren, dass das Nationale Institut für Strafvollzug und Gefängnisse (INPEC) und die zuständigen Behörden ihrer Verantwortung für den Schutz der Häftlinge nicht nachkommen. Sie fordern außerdem, dass die Regierung die medizinische Versorgung der betroffenen Häftlinge sicherstellt und alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um ihnen eine vollständige Genesung zu ermöglichen.

Schließlich fordern verschiedene Organisationen seit langem die Freilassung der Inhaftierten ohne Gerichtsurteil. Darüber hinaus sind die unwürdigen Lebensbedingungen der Gefangenen in allen kolumbianischen Haftanstalten wieder einmal Thema in Medien und Politik.

Vor zwei Jahren wurden Lozada und sechs weitere Personen vom Strafgericht in Palmira, einer Kleinstadt im Valle del Cauca, etwa 20 Kilometer von Cali entfernt, zu Haftstrafen verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, einer Gruppe der Ersten Reihe (Primera Línea) anzugehören, die für die mutmaßliche Entführung und Folterung von acht Polizisten verantwortlich sein soll. Die Erste Reihe waren Gruppen von Demonstrant:innen, die mit Helmen und selbstgebastelten Schutzschilden Mitprotestierende vor der Polizeigewalt beschützten. Die Vorfälle ereigneten sich am 27. Mai 2021 im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrant:innen, die die Verbindungsstraße zwischen Cali und Palmira blockierten.

Die Verfolgung der Protestierenden des Paro Nacional hat weitere Opfer gefordert. Katastrophen in Haftanstalten mit tödlichem Ausgang sind in Kolumbien keine Seltenheit. Vor rund zwei Jahren starben bei einem verheerenden Brand in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Kreisstadt Tulúa, ebenfalls im Valle del Cauca, 53 Häftlinge. Unter ihnen war auch Jhonatan Sabogal, ein weiteres Mitglied der Ersten Reihe.

Von den 300 inhaftierten Demonstrant:innen des Paro Nacional sitzen immer noch rund 85 Personen ohne Gerichtsurteil im Gefängnis und sind damit trotz ihrer möglichen Unschuld massiven Gefahren ausgesetzt.