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Brasilien: USA ließen Lula da Silva über 50 Jahre lang ausforschen ‒ mindestens

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Seit 1966 im Visier der US-Geheimdienste: Lula da Silva, hier bei der Plenarsitzung des Rates für nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung am 27. Juni
Seit 1966 im Visier der US-Geheimdienste: Lula da Silva, hier bei der Plenarsitzung des Rates für nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung am 27. Juni

Washington/Brasília. Die USA überwachen den derzeitigen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva seit mehr als einem halben Jahrhundert. Das meldete die Tageszeitung Folha de São Paulo am Donnerstag. 819 Berichte wurden zwischen 1966 und 2019 über ihn erstellt.

Der brasilianische Journalist und Schriftsteller Fernando Morais, der an einer Biografie des Präsidenten arbeitet, informierte darüber in einem Interview mit Folha.

Die ersten Berichte, die Washington über Lula erhielt, stammen demnach aus dem Jahr 1966 – während der Militärdiktatur (1964–1985) – , als er der Gewerkschaftsbewegung beitrat.

Die Liste der Berichte über Lula, die von Behörden wie der US-Botschaft in Brasilien, dem US-Auslandsgeheimdienst CIA und dem State Department erstellt wurden, übergab Washington Morais, der das Informationsfreiheitsgesetz (Freedom of Information Act) nutzte. Lula habe ihm, als er noch im Gefängnis war, die Vollmacht erteilt, in seinem Namen alle vorhandenen Unterlagen in den Agenturen zu sammeln.

Der Biograf sagte gegenüber Folha, dass die Daten, die er erhalten hat, bis 2019 reichen, das Jahr, in dem er seinen Antrag auf Zugang zu Verschlusssachen gestellt hat. Er wisse nicht, wie viele andere Berichte in den letzten fünf Jahren erstellt wurden und ob es Dokumente über Lulas dritte Amtszeit gebe, die er im Januar 2023 antrat.

Morais erklärte gegenüber Folha de São Paulo, dass die Berichte detailliert Lulas Position zu verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Themen von seiner Zeit als Gewerkschaftsführer im Industriegürtel von São Paulo bis zur Machtübernahme des Ultrarechten Jair Bolsonaro in Brasilien im Jahr 2018 beschreiben.

Darin sollen sich auch Informationen über die Beziehungen zwischen dem ehemaligen Gewerkschaftsführer und seiner Verbündeten und Amtsnachfolgerin Dilma Rousseff, sowie über seine Beziehungen zu Regierungsvertretern Chinas und Ländern im Mittleren Osten befinden.

Zu den Dokumenten über Lula, die nach Washington geschickt wurden, gehören laut Morais außerdem Berichte über Brasiliens militärische Pläne, Wirtschaftsprojekte und sogar über die Ölproduktion des Landes.

Morais sagte, dass von den 819 vertraulichen US-Dokumenten, die 3.300 Seiten über Lula enthalten, 613 vom US-Geheimdienst CIA angefertigt wurden. Weitere 111 Dokumente wurden vom Außenministerium, 49 vom Nachrichtendienst des Verteidigungsministeriums, 27 vom Verteidigungsministerium, acht vom US-Südkommando, acht von einer Unterstützungseinheit der Streitkräfte und eines vom Cyberkommando der Armee erstellt.

Laut Medienberichten sollen die Informationen, die Morais erhalten hat, für den zweiten Teil von Lulas Biografie verwendet werden. Einen Veröffentlichungstermin gibt es noch nicht. Der erste Band, der 2021 erschienen ist, wurde bereits ins Chinesische, Englische und Spanische übersetzt.