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Großer Applaus in Cannes für Oliver Stone-Film über Brasiliens Präsidenten Lula

Dokumentarfilm sehr gut aufgenommen. Fokus auf "Operation Lava Jato". Stone über Lula: "Ich bewundere diesen Mann zutiefst"

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Ziel von Oliver Stone scheint es zu sein, Lula als Symbol des Widerstands in einer Zeit des internationalen Vormarsches der extremen Rechten darzustellen
Ziel von Oliver Stone scheint es zu sein, Lula als Symbol des Widerstands in einer Zeit des internationalen Vormarsches der extremen Rechten darzustellen

Brasília/Cannes. Mindestens fünf Minuten lang haben die Zuschauer:innen dem Dokumentarfilm "Lula" der US-amerikanischen Regisseure Oliver Stone und Robert Wilson bei seiner Weltpremiere im Rahmen des Filmfestivals von Cannes applaudiert.

"Dieser Film handelt von einer ganz besonderen Person in der heutigen Welt, einer einzigartigen Führungspersönlichkeit auf diesem Planeten", sagte Stone gegenüber der Presse. Dem Regisseur zufolge ist der Protagonist seines Dokumentarfilms "einer der wenigen politischen Anführer, die aus der Arbeiterklasse stammen, jemand, der hart dafür gekämpft hat, dort zu sein, wo er ist".

Der Werdegang des Präsidenten machte Stone neugierig. "Lula hat erst in der siebten oder achten Klasse lesen gelernt. Er hatte es wirklich schwer, Karriere zu machen", sagt der Filmemacher. "Ich bewundere diesen Mann sehr. Ich weiß, dass viele Menschen aus den wohlhabenderen Schichten ihn hassen, und ich glaube nicht, dass einige von Ihnen hier sind, um ihn zu verprügeln. Bitte hassen Sie ihn nicht zu sehr, denn er ist eine wunderbare Seele."

Der Film porträtiert Lula von seinem Aufstieg als Gewerkschafter in den siebziger Jahren bis zu seiner Rückkehr ins Präsidentenamt. Er konzentriert sich jedoch auf die Jahre, in denen der Anführer der Arbeiterpartei (PT) zur Zielscheibe dessen wurde, was in Lateinamerika gemeinhin als "lawfare" bezeichnet wird, also eine justizielle Kriegsführung, um einem politischen Gegner Schaden zuzufügen oder ihn zu delegitimieren. Im Fall Lula geschah dies im Zuge des Korruptionsskandals "Lava Jato".

Er wurde 2021 vom Obersten Gerichtshof (STF) nach 580 Tagen Haft wegen angeblicher Korruption freigesprochen. Einer der Richter:innen des STF sagte, dass die Verurteilung Lulas "einer der größten Justizfehler in der Geschichte des Landes" sei (amerika21 berichtete).

Eine Reihe von Reportagen der Website The Intercept Brasil unter der Leitung des Journalisten Glenn Greenwald, einem weiteren wichtigen Interviewpartner des Films, deckte die Voreingenommenheit von Lava Jato auf.

Neben Auszügen aus der journalistischen Serie enthält die Dokumentation auch Hinweise auf die Einmischung des US-Justizministeriums. Stone betont, dass Lula inhaftiert wurde, um zu verhindern, dass er bei den Präsidentschaftswahlen 2018 antritt. Dies habe die Rückkehr der Linken an die Macht um vier Jahre verzögert.

Anhand der Aussagen von Cristiano Zanin, dem ehemaligen Anwalt Lulas, und Walter Delgatti Neto, dem Hacker, der private Kommunikation über die Verschwörung gegen Lula enthüllte, zeigt Stone insbesondere die illegalen Methoden des für die Operation verantwortlichen Richters Sergio Moro auf. Im Jahr 2021 erklärte der STF Moro zum Verdächtigen.

Der Film spart auch den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro nicht aus, der wohl der größte Nutznießer der Inhaftierung und Nichtwählbarkeit war. Kontroverse und bekannte Äußerungen von ihm werden im Film wiedergegeben. Nach seiner Wahl zum Präsidenten ernannte Bolsonaro Moro zum Minister für Justiz und öffentliche Sicherheit.

Stone befragt Lula zu seinem Verhältnis zu US-Präsidenten. In den acht Jahren seiner Amtszeit hatte der Brasilianer mit zwei US-Regierungschefs zu tun: dem Republikaner George W. Bush und dem Demokraten Barack Obama. Ohne ins Detail zu gehen, zeigt Stone den Einfluss der USA sowohl auf den Staatsstreich von 2016, der Präsidentin Dilma Rousseff stürzte, als auch auf den Leidensweg Lulas.

Ziel der Filmemacher scheint es zu sein, Lula als Symbol des Widerstands in einer Zeit des internationalen Vormarsches der Ultrarechten zu zeigen.

Thierry Frémaux, Generaldelegierter der Filmfestspiele von Cannes, wies auf eine zusätzliche Motivation hin, diesen Film zu sehen: "Im Kino von Oliver Stone sind das Filmen und der Einsatz der Kamera Waffen und eine Möglichkeit, die Zeitgeschichte zu besuchen und neu zu schreiben".