Regierungspartei in Argentinien verteidigt Diktaturverbrecher

Abgeordnete von La Libertad Avanza besuchen verurteilte Militärs im Gefängnis. Angriffe auf die Justiz. Spannungen und vereinzelte Distanzierungen im Regierungslager

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Die LLA-Abgeordneten, die Handlanger der Diktatur im Gefängnis besucht haben
Die LLA-Abgeordneten, die Handlanger der Diktatur im Gefängnis besucht haben

Buenos Aires. Mehrere Kongressabgeordnete der Partei La Libertad Avanza (LLA) des ultarechten Präsidenten Javier Milei haben gerichtlich verurteilte Verbrecher der zivil-militärischen Diktatur (1976-1983) im Gefängnis besucht.

Wie das Medium La Política Online aufdeckte, hatte der Abgeordnete Beltrán Benedit in einer internen Chatgruppe dazu aufgerufen. Die Abgeordneten Lourdes Arrieta, Alida Ferreyra, Guillermo Montenegro, María Fernanda Araujo und Rocío Bonacci, alle von der Partei LLA, schlossen sich an.

Nach Benedits Darstellung handelte es sich um einen "humanitären Besuch" aus Sorge um die Menschenrechte der Inhaftierten. Diese würden missachtet, weil Urteile "aus Rache, aus ideologischen Gründen oder aus monetären Interessen" gefällt würden. Damit unterstellte er den Richtern ideologische Befangenheit oder Bestechlichkeit.

Zugleich bezeichnete er die verurteilten Verbrecher als "Ex-Kombattanten gegen die marxistische Subversion im Dienste einer verfassungsmäßigen Regierung."

Tatsächlich war die Militärjunta, in deren Diensten die Verurteilten standen, durch den gewaltsamen Sturz einer verfassungsmäßigen Regierung an die Macht gekommen. In Benedits Äußerungen wird damit deutlich, wie weit die Geschichtsverzerrung des Regierungslagers mittlerweile geht.

Die Delegation der LLA wurde im Gefängnis von Ezeiza von verurteilten Ex-Militärs wie Antonio Pernías, Adolfo Donda oder Alfredo Astíz empfangen. Alle drei waren während der Diktatur im Folterzentrum Esma in Buenos Aires aktiv. Astíz wurde zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt, darunter wegen seiner Beteiligung an der Ermordung von drei Müttern der Plaza de Mayo und der beiden französischen Ordensschwestern Leonie Duquet und Alice Domon. Sie waren zusammen mit sieben weiteren Personen von Militärs entführt und gefoltert worden, weil sie sich für die Suche nach Verschwundenen eingesetzt hatten.

Auch Pernía und Donda verbüßen lebenslange Haftstrafen, letzterer unter anderem wegen der illegalen Aneignung der Tochter seines Bruders und seiner Schwägerin, der heutigen Menschenrechtsaktivistin und Abgeordneten Victoria Donda. Beide Elternteile gelten als verschwunden.

Der Besuch offenbarte auch Spannungen innerhalb der Regierungspartei, insbesondere zwischen dem Lager von Präsident Milei und seiner Vizepräsidentin Victoria Villarruel, die selbst aus einer Militärfamilie stammt und sich seit vielen Jahren für Straffreiheit und ein Ende der Prozesse gegen die Handlanger der Diktatur einsetzt. Die meisten Abgeordneten, die an dem Gefängnisbesuch teilnahmen, stehen ihr nahe, andere sahen sich über den Zweck des Besuchs getäuscht.

Der Präsident der Abgeordnetenkammer aus den Reihen der LLA, Martin Menem, und der Fraktionschef der LLA, Gabriel Boroni, distanzierten sich von der Aktion und gaben vor, nichts davon gewusst zu haben.

Die von Strafverteidigern der Militärs gegründete Organisation Justicia y Concordia (Gerechtigkeit und Eintracht) feierte sie dagegen mit den Worten: "Danke für die Solidarität mit der Situation der Gefangenen! Es ändert sich tatsächlich gerade etwas in diesem Land."

Der von der Regierung eingesetzte Generalstaatsanwalt Rodolfo Barra nutzte die Gelegenheit, um sich in einem Pressekommentar für Begnadigungen und eine Politik der Straflosigkeit auszusprechen.

Scharfe Kritik kam dagegen von den Oppositionsparteien Unión por la Patria, Unión Cívica Radical und Frente de Izquierda y de Trabajadores sowie von Menschenrechtsorganisationen.

"Wir sind alarmiert und besorgt, dass Abgeordnete von La Libertad Avanza Menschenrechtsverbrecher im Gefängnis besuchen, denen alle Garantien gewährt wurden, während die Regierung die in über vierzig Jahren Demokratie erkämpfte Erinnerungspolitik aushungert", äußerte die Organisation der Großmütter der Plaza de Mayo. Die Ex-Militärs hätten "weder Reue für ihre Verbrechen gezeigt, noch Informationen über den Verbleib unserer Söhne und Töchter oder über die 300 Enkel und Enkelinnen gegeben, die wir suchen.

Es wäre gut, wenn die Abgeordneten diese wertvollen Informationen von den Gefangenen einfordern würden, um die Wahrheit zu erfahren, nach der wir seit 46 Jahren suchen, und um sicher zu sein, dass die vom Volk gewählten Führer die Fahnen des 'Nie wieder' hochhalten", heißt es in ihrer Stellungnahme.

Die Journalistin und Überlebende des Folterlagers Esma, Graciela Daleo, schreibt in einem Kommentar: "Die 'nationale Reorganisation', die von der Bande um Javier Milei vorangetrieben wird, will mit der Zerstörung der staatlichen Politik der Erinnerung, Wahrheit und Gerechtigkeit nicht nur alte Rechnungen begleichen, sondern zugleich die Mechanismen anpassen, um heute und in Zukunft regieren zu können."