Venezuale: Eine von Frauen geführte Kommune in den Llanos

In der venezolanischen Tiefebene arbeitet eine generationenübergreifende Gruppe von Frauen inmitten der US-Blockade am Aufbau des bolivarischen Sozialismus

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Nacidos para Vencer con Chávez ist eine von Frauen geführte Kommune im Bundesstaat Apure
Nacidos para Vencer con Chávez ist eine von Frauen geführte Kommune im Bundesstaat Apure

"Nacidos para Vencer con Chávez" (Geboren, um mit Chávez zu siegen) ist eine von Frauen geführte Kommune am Rande der Stadt Biruaca im Bundesstaat Apure, die auf eine lange Geschichte patriarchalischer Unterdrückung zurückblickt.

Diese junge Kommune hat die Idee von Hugo Chávez als einen Weg nach vorne in schwierigen Zeiten aufgegriffen und sich darum bemüht, eine Gemeinschaft aufzubauen und die Produktion zu steigern, während sie sich mit anderen Kommunen über die Union der Kommunarden verbunden hat.

Eine von Frauen geführte Kommune

Abrannys Mendoza: Etwa 2015 trafen sich Sprecherinnen von fünfzehn kommunalen Räten, um eine Kommune zu gründen: Wir wollten das Projekt von Chávez umsetzen. Aus diesen Treffen gingen zwei Kommunen hervor: Los Herederos de Chávez und unsere. Unsere Kommune heißt Nacidos Para Vencer con Chávez. Sie wurde schließlich im Februar 2017 registriert und vereinigt sieben kommunale Räte und eine Bevölkerung von mehr als 2.500 Menschen.

Es war ein langer Kampf, aber er hat sich gelohnt. Jetzt haben wir eine engmaschige Organisation, die Räume für partizipative Entscheidungen schafft und die Landwirtschaft fördert.

Mairen Mendoza: Die Kommune umfasst etwa 14.000 Hektar produktives Land. Ein relativ großer Teil der Fläche ist der Viehzucht [Milch- und Fleischproduktion] gewidmet, während die Bauern in diesem Gebiet auch Getreide, topocho [kleine Kochbanane], Hülsenfrüchte, Knollen, Zuckerrohr, Kakao, onoto [ein natürlicher Lebensmittelfarbstoff] und Kurkuma anbauen.

Jessica Laya: Eine Kommune wird wachsen und in einer Region tonangebend werden, wenn sie den Menschen greifbare Lösungen bietet. Deshalb haben wir im Mai 2017, kurz nach der Registrierung, begonnen, mit dem nationalen "Plan de Siembra"1 zusammenzuarbeiten, um mehr als 200 Hektar Mais anzubauen.

Mairen Mendoza: Beim Aufbau einer Kommune geht es um ein konkretes Projekt, aber auch um unsere eigene mística [symbolische Praxis]. Deshalb organisieren wir sancochos [gemeinsame Suppenmahlzeiten], um die Solidarität und die Schwesternschaft unter den Kommunarden zu fördern; eine Person bringt das Wurzelgemüse, eine andere den aliño [Zwiebel, Paprika usw.] und wieder eine andere das Fleisch. Nachdem wir gemeinsam gekocht haben, essen wir den herzhaften sancocho, während wir über unsere Probleme und Hoffnungen sprechen.

Dies ist eine von Frauen geführte Kommune. Geburtstage und Feiertage sind für uns sehr wichtig. Ich denke, es gibt keinen besseren Weg, eine Gemeinschaft aufzubauen, als zu teilen.

Abrannys Mendoza: Früher wurden die Frauen in die Küche geschickt, um für die Männer zu kochen, wenn jemand in einen Haushalt in den Llanos kam. Die Fiesta war wichtig, aber wir waren eingesperrt!

Das hat sich alles mit der Bolivarischen Revolution geändert: Wir sind nicht mehr nur die Mütter und Ehefrauen, die in der Küche stehen. Und wir sind nicht nur aus der Küche herausgekommen, sondern wir sind jetzt Führungskräfte in unseren Kommunen und in der Vereinten Sozialistischen Partei [PSUV].

Natürlich ist noch viel zu tun, um die volle Gleichberechtigung zu erreichen: Obwohl die Frauen mehr Macht bekommen haben, sind wir immer noch diejenigen, die sich um den Haushalt kümmern. Ich sehne mich nach dem Moment, in dem Männer und Frauen die Hausarbeit zu gleichen Teilen übernehmen.

Landwirtschaftliche Produktion in Krisenzeiten

Mairen Mendoza: Wir haben kürzlich ein vier Hektar großes Stück Land für das Gemeinschaftsprojekt gekauft. In unserem Gebiet befindet sich der größte Teil des Landes in den Händen von kleinen Campesinos und mittelgroßen Bauern. Trotzdem arbeiten wir alle zusammen an einem gemeinsamen Ziel: die Produktion zu steigern und bessere Lebensbedingungen für die Gemeinschaft zu schaffen.

Die vielleicht interessanteste Übung in gemeinschaftlicher Produktion und Planung war der "Plan de Siembra" von 2017, als wir die Mittel für den Anbau von 220 Hektar Mais erhielten. In diesem Jahr haben wir gearbeitet, als gäbe es kein Morgen. Die Ernte war ausgezeichnet: 174 der 220 Hektar erbrachten etwa 4.500 Kilo pro Hektar.

Es war ein sehr gutes Jahr für die Gemeinde, denn es hat uns gezeigt, dass wir mehr produzieren können, wenn wir zusammenarbeiten.

Allerdings war 2017 auch hart für uns: Die Ernte fiel in die schlimmste Zeit der Hyperinflation. Das bedeutete, dass das Geld schon wieder weg war, kaum dass wir bezahlt wurden. Die Situation brachte uns an den Rand des Bankrotts. Deshalb sagen wir, dass 2017 sowohl unser bestes als auch unser schlechtestes Jahr war.

Seitdem sind wir mit erheblichen Hindernissen bei der Mais-Produktion konfrontiert: Die Finanzierung ist aufgrund der Blockade begrenzt, und wir müssen uns oft an den Privatsektor wenden, um die für die Aussaat und Ernte benötigten Maschinen zu mieten. Aber wir geben nicht auf: Wir wissen, dass die Kommune der Weg nach vorne ist.

Kollektive Lösungen

Mairen Mendoza: Wir suchen nach Alternativen inmitten dieser durch die Blockade ausgelösten Krise. Eine der wichtigsten Initiativen ist unsere gemeinschaftliche "Saatgutbank", die darauf abzielt, die Abhängigkeit von der Regierung und dem kapitalistischen Markt zu durchbrechen. Vor etwa einem Jahr haben sich fünfundzwanzig Bauern, darunter auch ich, zusammengetan um ein Projekt für Maissaatgut ins Leben zu rufen.

Freddy Silva: Diese Projekt nimmt etwa einen Hektar meines Grundstücks ein. Wir hoffen, dort hochwertiges Maissaatgut für die Bepflanzung von 150 Hektar in der Gemeinde produzieren zu können.

Die Sorte, die wir produzieren, ist der weiße Mais "Maquina". Das Saatgut ist robust und widerstandsfähig gegen Überschwemmungen, die hier im Winter oft vorkommen. Außerdem ist es resistent gegen Schädlinge und benötigt weniger Dünger.

Mairen Mendoza: Dieses Projekt wird uns Autonomie und Sicherheit geben. Saatgutpakete kommen aufgrund von administrativen und bürokratischen Hürden oft verspätet an. Jetzt können wir im Mai säen und brauchen weniger Dünger, weil der Boden für das Saatgut vorbereitet ist.

Angelys Rivas: Der Anbau von Hülsenfrüchten ist in unserer Gemeinde sehr wichtig. Dieses Jahr haben wir 210 Tonnen Bohnen produziert. Wie jeder weiß, sind die Zwischenhändler der Fluch der Bauern, denn sie zahlen nur wenige Cent für unsere Produktion.

Deshalb haben wir nach Alternativen gesucht, um die Kosten für uns zu senken. Mit diesem Ziel vor Augen haben wir eine handwerkliche Schälmaschine gebaut: Die Basis ist ein Ölfass mit Motorradketten darin. Der Motor kann sowohl mit Benzin als auch mit Strom betrieben werden. Das ist gut, denn bei uns gibt es oft Stromausfälle. Wir sind stolz auf unsere Schälmaschine: Sie ist sehr effizient und kann 2.000 Kilo pro Tag verarbeiten.

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Die trapiche der Kommune, eine handwerkliche Mühle zur Verarbeitung von Zuckerrohr
Die trapiche der Kommune, eine handwerkliche Mühle zur Verarbeitung von Zuckerrohr

Wir haben auch eine trapiche [handwerkliche Zuckermühle], mit der wir Zuckerrohr verarbeiten. Diese Produktionsmittel befinden sich zwar auf unserem Grundstück, aber sie dienen beide der Gemeinschaft.

Mairen Mendoza: Nacidos Para Vencer con Chávez und sechs benachbarte Kommunen ‒ Los Herederos de Chávez, Los Hijos de Chávez, Los Guerreros de la Patria, Las Colonias del Viento, Hermandad Moritense und La Revolución en Progreso ‒ sind Teil eines kommunalen Wirtschaftskreislaufs, der Fleisch, Käse, Mais und Hülsenfrüchte produziert. Es ist wunderbar, dass wir unsere Produktionskapazitäten Hand in Hand mit anderen Kommunen ausbauen.

Gemeinsam mit diesen anderen Organisationen arbeiten wir daran, ein Unternehmen mit sozialem Eigentum aufzubauen, das wir "Los Soberanos" [Die Souveränen] nennen. Los Soberanos wird eine Bohnenverpackungsanlage, die uns dabei helfen wird, unsere Produktion auf dem kommunalen Markt zu platzieren, ohne dass wir Zwischenhändler benötigen.

Wir haben gerade ein vier Hektar großes Grundstück erworben, auf dem die Verpackungsanlage entstehen soll. Es wurde mit Mitteln des Consejo Federal de Gobierno [Institution zur Finanzierung der Kommunen] im Rahmen der Nationalen Volksbefragung vom Mai 2024 gekauft.

Jetzt müssen wir hart arbeiten, um die Gelder für den Bau der Anlage zu erhalten.

Die Blockade

Mairen Mendoza: Als die Blockade uns zum ersten Mal traf, ging die Produktion in der Kommune drastisch zurück.

Die einseitigen Zwangsmaßnahmen haben uns aber auch dem Land näher gebracht: Viele Leute sind auf ihre conucos [kleine Subsistenzgrundstücke] zurückgekehrt, wo sie jetzt topocho (kleine Kochbananen), Yuca und andere Feldfrüchte anbauen, die den Bedarf des Haushalts decken. Das bedeutet eine größere Diversifizierung in der Region: Wir bauen jetzt 20 verschiedene Feldfrüchte an, und auch die Käseproduktion nimmt wieder zu.

Natürlich geschah dies nicht über Nacht. Wir haben nicht gehungert, aber wir haben in diesen Jahren etliche Pfunde verloren.

Neben dem conuco ist einer der Schlüssel zur Deckung des Nahrungsmittelbedarfs in der Kommune unsere "Casa de Alimentación" [Küche für alle], die 2018 eröffnet wurde und mehr als 200 Menschen ernährt.

Wir erhalten einige Grundnahrungsmittel von der Regierung, darunter Maismehl, Reis und Nudeln. Einen Teil davon behalten wir für die Casa de Alimentación, einen anderen Teil tauschen wir mit lokalen Erzeugern, die uns vielleicht Wurzelgemüse oder ein baba [kleines Krokodil] geben, das sie gerade erlegt haben.

Angelys Rivas: Der Mangel an Benzin und Diesel wurde vor einigen Jahren zu einem Problem, und das hat Auswirkungen auf die Produktion. Die landwirtschaftlichen Maschinen laufen mit Diesel. Um die Betriebsmittel in die Kommune zu bringen, braucht man Treibstoff, und um unsere Produktion auf den Markt zu bringen, ebenso.

Die Treibstoffknappheit ist ein großes Problem für die Kleinbauern. Sie hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit. Wir sind eine ländliche Kommune, und wenn jemand krank ist oder ein Kind bekommt, wird es zu einer Tortur, sie ins 25 Kilometer entfernte Krankenhaus in San Fernando zu bringen.

Außerdem haben wir erlebt, dass der Zugang zu Medikamenten erheblich eingeschränkt ist. Deshalb sage ich, dass die Blockade nicht nur illegal, sondern auch kriminell ist. Wie viele Menschen sind seit Beginn der Blockade gestorben?

Jessica Laya: Auch das Bildungswesen ist von der Blockade betroffen. Die Verschlechterung der Schulinfrastruktur erschwert das Lehren und Lernen. In einigen Schulen haben die Kinder weder Stühle noch Tische, sondern sitzen auf dem Boden. In einigen Klassenräumen gibt es keinen Strom. Außerdem ist es aufgrund des Treibstoffmangels schwierig geworden, die Kinder zur Schule zu bringen, so dass die Schulen nur an drei Tagen in der Woche geöffnet sind.

Trotzdem halten wir die Schulen offen. Wir setzen uns für unsere Kinder ein und werden nicht aufgeben.

Mairen Mendoza: Die Blockade war zeitweise schrecklich. Das Weiße Haus ist darauf aus, unsere Regierung mit allen Mitteln zu stürzen, und es ist kein Geheimnis, dass ihre Politik uns um Jahre zurückgeworfen hat, was unseren materiellen Wohlstand angeht.

Es ist jedoch auch wahr, dass die Not uns widerstandsfähiger und engagierter für das Gemeinschaftsprojekt gemacht hat. Chávez hatte nicht unrecht, die Kommune ist der einzige Weg, eine bessere Welt zu schaffen. Sind wir mit Herausforderungen und Widersprüchen konfrontiert? Sicherlich, aber die Kommune ist die Zukunft, und das ist so klar wie der Vollmond 2.

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Beim Gründungskongress der Union Comunera im März 2022
Beim Gründungskongress der Union Comunera im März 2022

Chávez, die Kommune und die Union der Kommunarden

Jessica Laya: Die Kommune ist das Vermächtnis von Chávez für die armen und arbeitenden Menschen in Venezuela. Der Aufbau von Kommunen ist nicht einfach, aber ich kann mir nicht vorstellen, was wir ohne sie tun würden. Die Herausforderungen wären noch größer.

Mairen Mendoza: In der Kommune geht es darum, den Menschen Hoffnung zu geben, sich zu organisieren und das zu produzieren, was wir brauchen, um in Würde und in Frieden zu leben. Aber die Kommunen können nicht isoliert überleben.

Die Union der Kommunarden ist eine landesweite Organisation, in der Dutzende von Kommunen zusammengeschlossen sind. Gemeinsam kämpfen wir dafür, das Projekt von Chávez am Leben zu erhalten. Als wir von Juan Fernández aus der Kommune Pancha Vásquez zum ersten Mal von der Union hörten, verliebten wir uns in die Idee und traten ihr so schnell wie möglich bei.

Natürlich ist sie noch eine junge Organisation, es gibt also viel zu tun, aber wir setzen all unsere Hoffnung in sie. Wir können nicht isoliert bleiben.

Abrannys Mendoza: Für mich als junge Frau war die Union der Kommunarden wichtig für meine politische Bildung. Ihre Führungskurse und die Workshops über kommunalen Feminismus haben mir sehr geholfen. Ich denke, dass die Union das Werkzeug ist, um den Bolivarischen Sozialismus aufzubauen.

Ich erinnere mich, dass uns ein Lehrer in einem der Kurse sagte, dass wir immer noch in einem kapitalistischen Land leben. Einige meiner Genossinnen und Genossen waren überrascht und sagten, das sei nicht der Fall... aber es ist so! Das ist etwas, was Comandante Chávez immer gesagt hat, aber die jüngeren Generationen müssen daran erinnert werden.

Um Ungerechtigkeiten zu beseitigen, brauchen wir die Kommune!

  • 1. Staatliches Programm zur Förderung der landwirtschaftlichen Produktion
  • 2. "plena como la luna llena", ist eine Anspielung auf Chávez' letzte Ansprache an die Bevölkerung