Venezuela / Politik

Gesetzeswelle zum Jahresende

Parlament Venezuelas verabschiedet zahlreiche Gesetze. Möglichkeiten der Beteiligung von Bürgern werden ausgebaut

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Nationalversammlung (Asamblea Nacional) Venezuelas
Die venezolanische Nationalversammlung im Zentrum der Hauptstadt Caracas

Caracas. Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat die venezolanische Nationalversammlung in den vergangenen Wochen noch zahlreiche Gesetze verabschiedet. Bevor am 5. Januar

die neuen Abgeordneten in das Parlament des südamerikanischen Landes einziehen, befindet sich die Legislative in Sondersitzungen, um Gesetze zu beschließen, die teilweise seit Monaten auf die Verabschiedung warten. Allein in den vergangenen drei Wochen wurden auf diese Weise 22 Bestimmungen in Kraft gesetzt.

Eines der bedeutendsten Gesetzespakete betrifft dabei den Ausbau von Beteiligungsmöglichkeiten in der öffentlichen Planung und Verwaltung. Das Rahmengesetz der "Volksmacht" (Poder Popular) sowie vier weitere Direktiven in diesem Bereich regeln die Funktionsweise der Kommunen, die sich aus mehreren Nachbarschaftsräten zusammensetzen. Sie erhalten Kompetenzen und Mittel, die zuvor den Bürgermeistereien zustanden. Eine Verordnung über kommunale Ökonomie soll solidarische Wirtschaftsformen auf lokaler Ebene fördern und das Gesetz über Rechnungsprüfung die Rolle der Nachbarschaftsorganisationen bei der Korruptionsbekämpfung stärken. Der Oberste Gerichtshof (TSJ) bestätigte vergangene Woche den Verfassungscharakter von drei dieser Bestimmungen. Sie erhalten damit den Status von sogenannten Organgesetzen. Für ihre Änderung bedarf es einer Zweidrittelmehrheit.

Zu großen Kontroversen mit Vertretern der Opposition führte die Verabschiedung von Sondervollmachten für Präsident Chávez. Nach Artikel 203 der Verfassung Venezuelas kann das Parlament den Präsidenten für begrenzte Zeiträume dazu bevollmächtigen, in definierten Bereichen Dekrete mit Gesetzeskraft zu erlassen. Dieses beschleunigte Verfahren erlaubt es Präsident Hugo Chávez nun bis Mitte 2012 parallel zum Parlament Gesetze zu verfassen.

Die im Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) gruppierte Opposition sieht in dem Instrument eine undemokratische Vorgehensweise und erklärte, das Land befinde sich auf dem Weg in eine Diktatur. Chávez wird zum inzwischen vierten Mal mit solchen Vollmachten ausgestattet. In den Jahren 1999, 2000 und 2007 wurde er ebenfalls befähigt, Dekrete mit Gesetzeskraft zu erlassen. Auch damals kritisierte die venezolanische Rechte die Vorgehensweise als diktatorisch, machte jedoch nicht von der Möglichkeit gebrauch, die erlassenen Gesetze per Referendum zu kippen.

Auch die Sanktionierung von Reformen des Telekommunikationsgesetzes sowie des Mediengesetzes haben zu scharfen Kritiken geführt. Die oppositionellen Medien des Landes sehen in den Änderungen die Etablierung von Zensur vor allem des Internets. Die Regierung verteidigte die Gesetzesinitiative mit der Begründung, dass das Gesetz für soziale Verantwortung in Radio und Fernsehen (Ley Resorte) auch für Inhalte gelten müsse, die im Internet publiziert werden. Eine Zensur finde nicht statt, aber man müsse Kinder und Jugendliche vor Gewaltdarstellungen schützen und auch Straftaten im Internet juristisch verfolgen können. Sie berufen sich auf Artikel 57 der Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert und Zensur verbietet, aber auch Anonymität bei der Ausübung dieses Rechts untersagt und festschreibt, dass Verantwortung für verbreitete Meinungen übernommen werden muss.

Auch ein neues Gesetz für universitäre Bildung hat das Parlament in der vergangenen Woche verabschiedet. Es konkretisiert das im August 2009 in Kraft getretene Rahmengesetz für Bildung und greift unter anderem Vorschläge von Studierendenorganisationen zur Demokratisierung der Hochschulen auf. So werden künftig z.B. alle Ämter der Universitäten von allen Studierenden, Angestellten und Professoren mit gleicher Stimmgewichtung gewählt. Studierendenräte sollen die Möglichkeit erhalten, die Verwendung der Finanzen zu überwachen.

Ein weiteres Gesetz limitiert die ausländische Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und politischen Parteien mit der Begründung, die nationale Souveränität zu schützen. Eine Reform des Parteiengesetzes ermöglicht außerdem die Sanktionierung von Abgeordneten, wenn diese in der Ausübung ihres Amtes von den Aussagen im Wahlkampf abweichen. Im wirtschaftlichen Bereich soll ein neues Bankengesetz dem Staat mehr Gewicht und Einflussmöglichkeiten bei der Steuerung und Kontrolle des Finanzsystems geben.