Kuba / Deutschland / Kultur

22. Cuba im Film

Frankfurt/Main: Kubanisches Filmfestival vom 11. bis 20. Mai 2017 im Filmforum Höchst
„Nun ist er gegangen, manche sagen zur Hölle, andere sagen in den Himmel, aber er ist gegangen… Wer ihn gekannt hat, vermisst ihn, er war über Jahrzehnte eine große Persönlichkeit“ (Oliver Stone über Fidel Castro) Kann der Tod des bedeutendsten lateinamerikanischen Politikers des letzten Jahrhunderts einen Prozess der Reflexion über das vielschichtige Erbe Fidels zur Selbstverständigung der kubanischen Gesellschaft über ihre künftige politische und gesellschaftliche Ausrichtung befördern, oder war sein Tod nur ein sentimentaler Moment im Leben der Kubanerinnen und Kubaner? Eine Ära ist zu Ende gegangen und wir blicken noch einmal zurück: mit Filmen, die zeigen, wie groß das Interesse europäischer und amerikanischer Intellektueller und Filmschaffender in den ersten Jahren der Revolution an der Transformation der kubanischen Gesellschaft war. Auch Cuba hatte ein Interesse an einer Öffnung „nach Westen“. Nach der missglückten US-Invasion in der Schweinebucht 1961, der von den USA verhängten Blockade, einer Störung des Verhältnisses zur UdSSR nach der Raketenkrise, versuchte Cuba in Westeuropa, vor allem in Frankreich, Partner zu gewinnen.
Ein Bemühen, das sich auch auf die kulturelle Ebene erstreckte und vor allem bei den französischen Intellektuellen und Kulturschaffenden, die sich von der Politik der PCF entfernt hatten und in der kubanischen Entwicklung einen Ansatz emanzipatorischer antiimperialistischer Politik sahen, eine starke Resonanz fand.
So reisten Anfang der 1960er Jahre u. a. Jean Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Marguerite  Duras, Michel Leiris,  auch Jorge Sem prun und Juan Goytisolo, der Schauspieler Gérard Philipe, die Filmema cher/innen Arman Gatti, Joris Ivens, Jean­Luc Godard, Chris Marker und Agnès Varda nach Cuba. Varda erzählt in ihrem auf ihren Fotos basierenden Dokumentarfilm Salut les Cubains von 1964 in faszinierenden Bildern vom Alltagsleben der Kubaner/innen, von einem vibrierenden Havanna, von der beschwingten Körperlichkeit der Kubaner/innen, von der Zuckerrohrernte und mit einem leicht ironischen Unterton von den Reden Fidels. Eine Hymne auf das neue Cuba und die Revolution hatte bereits 1959 Errol Flynn in dem von Victor Pahlen gedrehten Dokumentarfilm Cuba Story – Die Wahrheit über Fidel Castros Revolution gesungen. Flynn, weltberühmt als romantischer Held in amerikanischen Abenteuerfilmen (Unter Piratenflagge, Robin Hood, König der Vagabunden) führt die Zuschauer als Kommentator durch den Film. Victor Pahlen kombiniert Archivaufnahmen aus dem Kuba Batistas und aus dem revolutionären neuen Kuba miteinander und präsentiert immer wieder die Führer der Revolution, Fidel und Che. Errol Flynn stellt sich in der letzten Rolle seines Lebens voll und ganz hinter die Ziele der Revolution und das neue Cuba. Die positiven Aspekte der kubanischen Revolution unterstreicht auch der dänische Regisseur Theodor Christensen in seinem 1964 gedrehten Film Ella, in dem er verschiedene Aspekte der Situation der Frauen in Cuba, unter anderem ihr Engagement in den Milizen thematisiert. Christensen arbeitete in dieser Zeit eng mit kubanischen Filmemacher/innen wie Sara Gómez zusammen. Schließlich waren auch die Filmschaffenden des realsozialistischen Lagers in Cuba aktiv. So drehte der sowjetische Regisseur Mikhail Kalatozov (Wenn die Kraniche ziehen) den berühmt gewordenen Film Soy Cuba mit kubanischen Technikern und Schauspieler/innen. Formal war der Film von dem russischen Revolutionskino eines Eisenstein oder Pudowkin beeinflusst. Ebenfalls 1964 und ebenfalls mit kubanischen Technikern drehte der DDR Regisseur Kurt Maetzig seinen Film Preludio 11 als Koproduktion der Defa und des kubanischen Filminstituts ICAIC: Erzählt wird eine Agentengeschichte im kalten Krieg, in der natürlich die US­Amerikaner nicht die Guten sind. Zwischen den meisten „westlichen“ Intellektuellen und Filmschaffenden und der kubanischen Revolution kam es in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zu einer Entfremdung, die auch auf dem Kulturkongress 1968 in Havanna sichtbar wurde, wo Sartre und viele Intellektuelle gar nicht mehr anreisten. Der Bruch verstärkte sich durch Cubas Haltung gegenüber den Ereignissen in Prag 1968. Chris Marker z. B. untersagte die öffentliche Aufführung seines grandiosen Dokumentarfilms Cuba Sí, in dem er die kubanische Revolution gefeiert hatte. Allerdings gab es im Jahr 2003 wieder einen Film, der ins Innere der kubanischen Revolution vordrang. Oliver Stone interviewte zwei Tage lang Fidel Castro und befragte ihn zur Geschichte der Revolution, zur gegenwärtigen Situation in Cuba, zu seinen politischen Überzeugungen, zu Fragen der Kultur und schließlich auch zu seinem Privatleben, und machte daraus einen 90minütigen Dokumentarfilm, der gerade heute nach dem Tod Castros noch einmal an Bedeutung gewonnen hat. Doch wie ist eigentlich der aktuelle Blick „von innen“ auf die kubanische Gesellschaft, wie wird diese heute von den Filmschaffenden auf der Insel gesehen? Die aktuellen Produktionen können auf  unsere Eingangsfrage zwar noch keine Antwort geben, gleichwohl lassen sie erkennen, dass sich die kubanische Gesellschaft in einer Umbruchsphase befindet ... Migration und Rückkehr, kulturelle Unterschiede zwischen den Weggegangenen und Daheimgebliebenen: das ist die Hintergrundfolie für Lester Hamlets Ya no es antes, der unser Festival eröffnen wird und der in Havanna auf dem Festival des neuen lateinamerikanischen Films den Publikumspreis gewann, ferner erhielt Hauptdarsteller Luis Alberto García den Preis für die beste männliche Hauptrolle. Regisseur und Hauptdarsteller werden in Frankfurt zu Gast sein. Luis Alberto García, „das Gesicht des kubanischen Kinos“, wird außerdem Jessica Rodriguez‘ Episodenfilm Espejuelos Oscuros vorstellen, der sich unterschiedliche Momente der kubanischen Geschichte unterhaltsam, aber sehr offen vorknöpft. Vientos en La Habana ist eine spanisch­kubanische Großproduktion von Felix Viscarret nach dem Buch „Vientos de Cuaresma“ – dt. Titel „Handel der Gefühle“ aus der Reihe „Havanna Quartett“ des kubanischen Erfolgsautors Leonardo Padura, der sich mittels der Hauptfigur Mario Conde immer leidenschaftlich mit „seiner“ kubanischen Gesellschaft auseinanderzusetzen pflegt, wird ebenfalls bei uns von Luis Alberto García vorgestellt. Patricia Ramos hingegen präsentiert mit El techo auf vergnügliche Weise Vertreter einer jungen Generation, die versuchen, sich mit den neuen Möglichkeiten für kleine Selbständige vertraut zu machen, mit ihrer Idee, mit einer Pizzeria reich zu werden, jedoch gnadenlos baden gehen. Ihr erster langer Spielfilm kam beim Publikum in Havanna sehr gut an. Wir freuen uns, die Regisseurin bei uns begrüßen zu dürfen. Der international bekannteste  kubanische Filmemacher Fernando Pérez ist leider aufgrund von Dreharbeiten verhindert, doch wir sind stolz darauf, seinen neuen Film – so wie alle seine Filme zuvor – bei uns präsentieren zu können. Últimos días en La Habana lebt von der Spannung zwischen den beiden Protagonisten – der eine siechend, aber innerlich voller Lebensfreude; der andere ist äußerlich fit, aber scheint innerlich nur noch von seinem Traum von  der Auswanderung am Leben erhalten zu werden. Últimos días en La Habana lief auf der Berlinale, bei den anderen genannten Produktionen handelt es sich um Deutschlandpremieren.
Alle unsere Gäste und viele unserer Filme gehen auf Tournee durch deutsche Städte: Hamburg (Kino 3001), Berlin (Babylon), Saar­ brücken (Kino Achteinhalb) und in unserer Region das Kommunale Kino Weiterstadt. Im Fall des Films E l techo und seiner Regisseurin Patricia Ramos kooperieren wir eng mit dem Internationalen Filmfestival Innsbruck  in Österreich. Auch in diesem Jahr verleihen wir wieder unseren Kurzfilmpreis „Junger Cubanischer Film“. Dafür standen Abschlussfilme der renommierten Filmhochschule EICTV und der Facultad de Arte y Medios de la Comunicación Audio­ visual (FAMCA) der Universidad de las Artes  (ISA) zur Auswahl. Von Studierenden der Hochschule Rhein­Main in Wiesbaden wurden der  Preisträger und ein 60­minütiges Programm ausgewählt, das wir Ihnen besonders ans Herz legen möchten. Mit seinem breiten Themenspektrum zeigt es ganz unterschiedliche Aspekte der kubanischen Gesellschaft.
Stones pa‘ ti von Eduardo del Llano präsentiert das bereits jetzt legendäre Konzert der Rolling Stones in Havanna aus Liebhaberperspektive, ein besonderes Schmankerl. Aus der Welt des Jazz ist Cuba nicht mehr wegzudenken. Die hochkarätigen Musikfilme Playing Lecuona von Pavel Giroud und Juanma Villar Betancourt über Ernesto Lecuona, den Übervater der kubanischen Musik und seine Bedeutung für Ausnahmepianisten wie Chucho Valdés, Gonzalo Rubalcaba und Michel Camilo, sowie Cubajazz des Brasilianers Max Alvim, sind ebenfalls beides Deutschlandpremieren und ein klares Muss für  Musikliebhaber. Und wie immer wollen wir auch diesmal wieder zu Live­Musik tanzen. Auf unserer Salsaparty im Orange Peel am 19. Mai spielt dazu die Gruppe Tumbao Cubano, die bereits vor zwei Jahren das Publikum begeisterte.
Termindaten
Datum: 11.05.2017, 19:00 - 20.05.2017, 22:30
Stadt: Frankfurt/Main
Veranstaltungsart: Filmfestival
Veranstaltungsort: Filmforum Höchst, Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt-Höchst
Veranstalter: Cuba-Gruppe im Dritte-Welt-Haus Frankfurt e.V.