Kolumbien / Politik / Militär

Neuer Präsident von Kolumbien für bilateralen Waffenstillstand und Gespräche mit Guerillas

Petro sucht raschen Dialog mit ELN und Farc-Dissidenz. Widersprüchliche Informationen zum Verbleib von Farc-Dissidentenführer Iván Márquez

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Gustavo Petro und Francia Márquez bei der Vorstellung des Berichts der Wahrheitskommission
Gustavo Petro und Francia Márquez bei der Vorstellung des Berichts der Wahrheitskommission

Bogotá. Der designierte linke Präsident von Kolumbien, Gustavo Petro, hat angekündigt, er werde der ELN-Guerilla und "allen bewaffneten Gruppen" einen bilateralen Waffenstillstand vorschlagen, um Verhandlungen aufzunehmen.

Frühere Regierungen hatten stets darauf beharrt, die militärische Offensive gegen die bewaffneten Aufständischen fortzusetzen, bis eine endgültige Vereinbarung bei Friedensverhandlungen erreicht ist. So kam es immer wieder nur seitens der Farc-EP oder der ELN zu Waffenruhen.

Die Zeit des Friedens sei gekommen, so Petro im Interview mit W Radio am Dienstag. Nach seinem Amtsantritt am 7. August wolle er "mit verschiedenen Instrumenten" einen zweiseitigen Waffenstillstand erreichen. In der Mehrzahl der Fälle solle es zu Justizverfahren und mit einigen Gruppierungen zu politischen Verhandlungen kommen, um den Krieg in Kolumbien zu beenden.

Manche der bewaffneten Gruppen widmeten sich heute der "Multikriminalität", obwohl sie als "politischer Aufstand" entstanden seien. Diese sollten sich Justizverfahren stellen. Die Friedensverhandlungen mit der ELN sollten wieder aufgenommen werden, sagte Petro. Sie wurden von der Regierung unter Juan Manuel Santos 2016 begonnen und nach der Amtsübernahme durch Iván Duque und seiner rechten Partei Centro Democrático zunächst nicht fortgesetzt und im Januar 2019 ganz beendet, nachdem die ELN einen Bombenanschlag auf die Kadettenschule der Nationalpolizei in Bogotá verübt hatte.

Die 2016 zwischen Regierung, ELN und Garantenstaaten vereinbarten Protokolle müssten anerkannt werden. Dann könnten die Länder, die an den damaligen Verhandlungen mitgewirkt haben (Brasilien, Chile, Kuba, Norwegen) ihre Arbeit wieder aufnehmen und der Verhandlungstisch besetzt werden, sagte Petro.

Die Wahrheitskommission hatte in ihrem am 28. Juni vorgelegten Abschlussbericht darauf hingewiesen, dass der Abschluss eines endgültigen Friedensabkommens mit der ELN ein Schlüssel zur Beendigung des bewaffneten Konflikts sei.

In seiner Wahlkampagne hatte der designierte Präsident mehrfach betont, sein Bündnis Pacto Histórico plädiere für die Entwaffnung der Reste der "alten Aufständischen" und einen raschen politischen Dialog. Dies schließe die ELN und die Farc-Dissidentengruppen mit ein, "die sich gebildet haben, weil Duque das Friedensabkommen sabotiert hat". Dieses Abkommen müsse umgesetzt werden, so Petro in einem Interview, das amerika21 Anfang Februar veröffentlichte.

Der Oberkommandierende der ELN, Antonio García, erklärte am Montag in einem Kommuniqué, die Organisation sei "bereit, die Gespräche mit der neuen Regierung wieder aufzunehmen, damit die Ergebnisse einen Frieden mit sozialer Gerechtigkeit für ganz Kolumbien bringen".

Die 2019 neu gegründete Guerilla Farc-EP-"Zweites Marquetalia" hatte bereits in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni zum Wahlsieg Petros ihre Unterstützung und die Bereitschaft zu Gesprächen mit der neuen Linksregierung erklärt. "Wir müssen verhandeln, um den Krieg zu stoppen", heißt es darin.

Unterdessen werden in Medien widersprüchliche Informationen über das Schicksal eines der Anführer dieser Organisation, Iván Márquez, verbreitet. Während zunächst berichtet wurde, er sei auf venezolanischem Gebiet bei einem Angriff einer anderen Farc-Dissidentengruppe getötet worden, gehen nun Gerüchte um, er sei lediglich verletzt und in ein Krankenhaus gebracht worden. Möglich sei auch, dass ein Einsatzkommando des kolumbianischen Militärs hinter dem Angriff stehe.

Márquez leitete ab 2012 die Friedensdelegation der Farc-EP bei den Verhandlungen mit der Regierung Santos und war zusammen mit anderen Farc-Kommandanten 2019 zum bewaffneten Kampf zurückgekehrt. Dies sei "eine Reaktion auf den Verrat des Staates an dem Friedensabkommen von Havanna", erklärte er damals.