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Mexiko: Bücherverbrennung nach rechter Kampagne gegen staatliche Schulbücher

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"Vorsicht mit den Schulbüchern, sie wollen dich indoktrinieren". Die rechte Kampagne wird in Mexiko auch von religiösen Kräften gepusht
"Vorsicht mit den Schulbüchern, sie wollen dich indoktrinieren". Die rechte Kampagne wird in Mexiko auch von religiösen Kräften gepusht

San Cristóbal de Las Casas et al. Erzürnte Eltern haben am 20. August in einer Gemeinde in Chiapas vor einer Primarschule neu gelieferte staatliche Schulbücher angezündet. Dies, nachdem die mexikanische Rechte eine regelrechte Kampagne in den von ihr kontrollierten Medien inszenierte, da sie die Indoktrinierung der Jugend mit "kommunistischen" Ideen befürchte. Insbesondere der private Fernsehsender TV Azteca des Multimilliardärs Ricardo Salinas Pliego führt die Proteste an, der die Angst vor dem "kommunistischen Virus" schürt.

Der neue Unterrichtsstoff für die Grundschule ‒ der unter anderem den Individalismus kritisiert und Gemeinwohlansätze fördert sowie das bisherige Auswendiglernen von Inhalten ablehnt und die kollektive Erarbeitung der Lerninhalte anstrebt ‒ führt seit Wochen zu heißen Debatten. Die Regierung, welche die neuen Materialien für Lehrkräfte und Lernende von einem linken Autorenkollektiv erarbeiten ließ, versucht per täglicher Pressekonferenz mit Stimmen aus dem Bildungsministerium gegenzusteuern. Bisher mit wenig Erfolg.

Die Bücherverbrennung in San Antonio del Monte, einem Armeniertel der Stadt San Cristóbal de Las Casas, zeigt die krassen Auswirkungen der landesweiten Medienkampagne. Die evangelikalen Indigenen von San Antonio del Monte übergossen die Bücher mit Benzin und verbreiteten das Video ihres Protestes in sozialen Netzwerken. In diesem Stadtteil werden die Materialien der Schulbehörde mit der Begründung abgelehnt, sie seien "Teufelswerk", da sie "den Kommunismus, den Lesbianismus und die Homosexualität fördern", so die Eltern während ihrer Versammlung im Schulhof am Tag vor Beginn des neuen Unterrichtsjahres.

In anderen erzkonservativen Regionen Mexikos wurde ebenfalls protestiert. In Aguascalientes mobilisierte am vergangenen Wochenende die Nationale Familienfront zusammen mit dem lokalen Bischof rund 14.000 Demonstrierende. In mehreren Bundesstaaten sind juristische Schritte im Gange, in Coahuila wurde die Verteilung der neuen Schulbücher höchstgerichtlich gestoppt.

Präsident Andrés Manuel López Obrador versprach, die Gerichtsurteile zu respektieren, verurteilte aber die Bücherverbrennung als mittelalterlichen Akt, der an die Methoden der "Heiligen Inquisition" erinnere.

In der organisierten Lehrerschaft sind die Meinungen zum Unterichtsmaterial gemischt. Die linke Gewerkschaftsströmung CNTE steht den neuen Büchern nicht unkritisch gegenüber, insbesondere weil sie für deren Erarbeitung nicht einbezogen wurde. Der Gewerkschafter Isael González, welcher der 7. Sektion der CNTE mit 45.000 Lehrkräften in Chiapas vorsteht, verurteilt das Verbrennen der Bücher. Er betont aber auch, dass der ganze Konflikt eher wahlpolitischen Charakter habe. Momentan stellen sich die rechten Oppositionsparteien auf einen schwierigen Wahlkampf im Jahr 2024 gegen die regierende, gemäßigt linke Morena-Partei ein.

Der Lehrer González bedauert, dass es bei dieser Auseinandersetzung nicht um eine "echte Diskussion" um die Stärkung der öffentlichen Bildung geht, für die nicht nur Bücher, sondern auch die materielle Ausstattung der Schulen sowie die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte entscheidend wären. Eine Meinung, die auch Expertenstimmen aus pädagogischen Hochschulen teilen und die eine breite gesellschaftliche Debatte um die dringend notwendige Neuausrichtung des Bildungswesens fordern.