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Brasilien kehrt zu strengeren Klimazielen zurück

Regierung von Präsident Lula macht klimafeindliche Politik seines Vorgängers rückgängig und will an ambitionierten Zielen arbeiten. Entwaldung bereits um 48 Prozent reduziert

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Präsident Lula da Silva und Umweltministerin Marina Silva senden ein starkes Ziel, dass Brasilien seinen Verpflichtungen zum Klimaschutz wieder gerecht wird.
Präsident Lula da Silva und Umweltministerin Marina Silva senden ein starkes Ziel, dass Brasilien seinen Verpflichtungen zum Klimaschutz wieder gerecht wird.

Brasília. Die brasilianische Regierung hat beschlossen, die Rückschritte bei den nationalen Klimazielen der Vorgängerregierung zu revidieren und an neuen, verbesserten Klimazielen zu arbeiten. Der Interministerielle Ausschuss für Klimawandel (CIM), in dem 18 Ministerien vertreten sind, verständigte sich darauf, der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) die Rückkehr zu den alten Zielen zu kommunizieren.

Brasilien war für die Neufestlegung der Emissionsgrenzwerte im Jahr 2020 heftig kritisiert worden. Grund dafür war die von Ex-Präsident Jair Bolsonaro verwendete neue Berechnungsgrundlage für das Basisjahr. Diese gestattete dem Land höhere Emissionen als die Werte, die 2015 festgelegt wurden. Damit verringerte Brasilien de facto seinen nationalen Klimaschutzbeitrag (NDC).

Der ursprüngliche NDC basierte auf dem zweiten Nationalen Emissionsregister und sah vor, die landesweiten Emissionen zwischen 2005 und 2025 um 37 Prozent und bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2005 zu senken. In absoluten Werten entspricht dies 1,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO2e) im Jahr 2025 und 1,2 Milliarden im Jahr 2030.

Nach den UN-Regeln sollen die Vertragsstaaten des Klimaabkommens ihre NDCs alle fünf Jahre erhöhen, um das Ambitionsniveau schrittweise zu steigern und so das vereinbarte Ziel von 1,5 Grad Celsius maximaler Erderwärmung zu erreichen.

Bei der 2020 anstehenden Aktualisierung der NDCs hielt die Regierung Bolsonaro zwar an den prozentualen Zielen von 2015 fest, änderte aber die Berechnung des Bezugswerts für das Basisjahr 2005. Dadurch waren in absoluten Zahlen mehr Emissionen als in der vorherigen NDC-Version zulässig.

Das Manöver des ehemaligen Umweltministers Ricardo Salles sah vor, ab 2020 das dritte Nationale Emissionsregister als Referenz für das NDC zu verwenden, welches für das Jahr 2005 einen deutlich höheren Emissionswert berechnete. Bei einer gleichen prozentualen Reduzierung um 43 Prozent bis 2030 hätte dies in absoluten Werten 400 Millionen Tonnen mehr im Vergleich zum ursprünglichen Ziel bedeutet.

Das Vorgehen wurde als schwere Verletzung der Regeln des Pariser Klimaschutzabkommens bewertet, da der Grundsatz "kein Rückschritt" verletzt wurde. Jede NDC-Aktualisierung sollte ambitioniertere Ziele als die vorherigen Beiträge definieren.

Das sogenannte "klimapolitische Täuschungsmanöver" (pedalada climática) wurde 2021 von sechs jungen Aktivist:innen vor Gericht angefochten. Acht ehemalige Umweltminister:innen, darunter die derzeitige Umwelt- und Klimaministerin Marina Silva, unterstützten die Klage.

Auf Druck der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft erhöhte die Regierung 2021 zwar das Emissionsreduktionsziel für 2030 von 43 Prozent auf 50 Prozent im Vergleich zu 2005, berief sich dabei jedoch auf ein erneut aktualisiertes, drittes Emissionsregister, das nach wie vor höhere Basisemissionen für 2005 berechnete. Die Änderung hätte es dem Land erlaubt, bis 2030 knapp 73 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent mehr zu emittieren als im Vergleich zum Ziel von 2015.

Mit der angekündigten Korrektur wird nun das Ziel von 2015 wieder aufgenommen und eine Reduzierung von 1,2 Milliarden Tonnen CO2e bis 2030 angestrebt.

Izabella Teixeira, Brasiliens ehemalige Umweltministerin und Lulas Beraterin für Umwelt- und Klimaschutz, begrüßte die Entscheidung mit den Worten: "Brasilien erkennt endlich die Fehler der vorherigen Regierung an." Ana Toni, Staatssekretärin für Klimawandel im Umweltministerium, sagte, die Rückkehr zu strengeren Zielen sei "symbolisch sehr wichtig, weil sie dazu beiträgt, die schlimmen Dinge zu beenden, die die Regierung Bolsonaro getan hat". Toni fügte hinzu, dass die Regierung nun an einem neuen Klimaplan arbeiten werde, der "logischerweise ehrgeiziger sein wird als dieser". Einen Zeitplan dafür nannte sie jedoch nicht.

Darüber hinaus hat der Interministerielle Ausschuss für Klimawandel beschlossen, zwei Arbeitsgruppen für den neuen Klimaplan einzurichten, eine für die Senkung der Emissionen und eine für die Anpassung an den Klimawandel. Untergruppen sollen acht Emissionsminderungspläne für verschiedene Sektoren und 14 Anpassungspläne erarbeiten.

Claudio Angelo vom Klima-Think-Tank Observatorio Do Clima rechnet nicht damit, dass der neue Plan vor der 30. Weltklimakonferenz, die Brasilien 2025 in der Amazonasmetropole Belém ausrichten wird, veröffentlicht wird.

Brasilien ist weltweit der fünftgrößte Emittent von Treibhausgasen und trägt laut Climate Watch, einer vom World Resources Institute betriebenen Online-Plattform, zu fast drei Prozent der globalen Emissionen bei. Fast die Hälfte dieser Emissionen stammt aus der Entwaldung im Amazonas-Regenwald, die während Bolsonaros Präsidentschaft ein 15-Jahres-Hoch erreichte. Unter Präsident Lula da Silva vollzog die Regierung eine schnelle Kehrtwende und reduzierte die Abholzung zwischen Januar und August 2023 um 48 Prozent.