Argentinien: Abschied von der Mutter der Plaza de Mayo Nora Cortiñas

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Nora Cortiñas, eine Aufnahme von 2017
Nora Cortiñas, eine Aufnahme von 2017

Buenos Aires/Morón. Die Menschenrechtsaktivistin und Mitbegründerin der Organisation "Mütter der Plaza de Mayo" Nora Cortiñas ist tot. Sie starb am 30. Mai im Alter von 94 Jahren in einem Krankenhaus im Bezirk Morón nahe der Hauptstadt.

Hunderte Menschen versammelten sich spontan noch am selben Tag auf dem emblematischen Platz vor dem Präsidentenpalast, um Nora Cortiñas an dem Ort, wo sie unzählige Tage ihres Lebens verbrachte, die letzte Ehre zu erweisen. Die Totenwache fand im "Haus der Erinnerung und des Lebens" in Morón statt. Der Gedenkort erinnert an das während der zivil-militärischen Diktatur (1976-1983) dort bestehende geheime Internierungszentrum der Militärs namens Mansión Seré. Es wird vermutet, dass Nora Cortiñas‘ Sohn Gustavo dort ermordet wurde, nachdem er am 15. April 1977 von den Militärs entführt und gefoltert worden war.

Nora Cortiñas wurde am 22. März 1930 als eine von fünf Töchtern einer spanischen Einwandererfamilie geboren. Sie erlernte den Beruf der Näherin und heiratete mit 19 Jahren den sechs Jahre älteren Carlos Cortiñas. 1952 brachte sie Gustavo zur Welt, drei Jahre später den zweiten Sohn Marcelo. "Ich war eine traditionelle Hausfrau", sagte Nora später in einem Interview. "Mein Mann war ein Patriarch. Er wollte, dass ich mich um das Familienleben kümmere."

Alles änderte sich mit der Entführung ihres Sohnes. Gustavo studierte Wirtschaft an der Universität von Buenos Aires und war in der Peronistischen Jugend aktiv, mit der er Sozialprojekte in Armenvierteln organisierte. Am Tag seines Verschwindens wurde Nora Cortiñas‘ Haus, in dem sich zu dieser Zeit ihre Schwiegertochter Ana und ihr Enkel Damián aufhielten, von einem Trupp aus Militär und Polizei überfallen. Anders als in vergleichbaren Fällen blieben die beiden unversehrt.

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Ein Gedenken am Tag des Todes von Nora Cortiñas
Ein Gedenken am Tag des Todes von Nora Cortiñas

Die Suche nach ihrem Sohn führte Nora Cortiñas mitten in Diktaturzeiten sogar auf das Gelände des Internierungszentrums Mansión Seré, wo sie hoffte, ein Lebenszeichen von Gustavo zu finden. Unterstützung fand sie schließlich in einem Kreis von Frauen, die sich vor dem Regierungspalast trafen, um von der Militärregierung Informationen über ihre verschwundenen Töchter und Söhne einzufordern. In einem Interview beschrieb sie die Anfänge der Mütter der Plaza de Mayo so: "Da der Ausnahmezustand keine öffentlichen Versammlungen erlaubte, begannen wir am Platz im Kreis zu gehen. So konnten wir unseren Schmerz zum Ausdruck bringen und die Menschen, die uns sahen, begannen zu erkennen, was passierte."