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Erste kenianische Polizeikräfte in Haiti angekommen, Spannungen nehmen zu

Multinationale Mission setzt auf Militarisierung. Ausgeschlossene Teile der haitianischen Gesellschaft rufen nach Dialog und Souveränität

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Haitis Premier Conille begrüßte das erste Kontingent der kenianischen Polizei in ihrer Bais in Clercine
Haitis Premier Conille begrüßte das erste Kontingent der kenianischen Polizei in ihrer Bais in Clercine

Port-au-Prince. Die ersten 400 kenianischen Einsatzkräfte sind in Haiti eingetroffen. Sie sollen die multinationale bewaffnete Intervention, die im Oktober 2023 vom UN-Sicherheitsrat gebilligt worden ist, in dem karibischen Krisenland anführen.

Die Mission wurde unter der Schirmherrschaft der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) und der USA vorbereitet, wobei letztere im Vorfeld in Haiti den Großteil der militärischen Infrastruktur einflogen.

Für die anlaufende Operation, die als Polizeimission tituliert wird, hat Kenia hoch militarisierte Sondereinheiten seiner Polizei entsand. Der kenianische Präsident William Ruto verabschiedete das erste Kontingent, das auf 1.000 Einsatzkräfte erweitert werden soll, mit einer Zeremonie in Nairobi.

Kenia habe sich bereits "bei der weltweiten Friedensstiftung und Konfliktlösung einen Namen gemacht", so Ruto. "Die Präsenz unserer Polizeibeamten in Haiti wird den Männern, Frauen und Kindern, deren Leben durch die Bandengewalt zerstört wurde, Erleichterung verschaffen. Wir werden mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um Haiti dauerhafte Stabilität zu bringen".

Neben Kenia haben auch andere Länder, darunter Benin, die Bahamas, Bangladesch, Barbados, Surinam und der Tschad, angeboten, Einsatzkräfte für die Mission zu entsenden.

Ein Teil des kenianischen Kontingents soll kritische Einrichtungen wie den Flughafen Toussaint Louverture in Port-au-Prince sichern, während ein anderer Teil der Beamten direkt "gegen Banden" vorrücken soll.

Während seines Besuchs in den USA betonte Ruto an der Seite von US-Präsident Joe Biden, dass die Truppe darauf abziele, "das Land zu sichern und die Banden und Kriminellen, die unsägliches Leid verursacht haben, auszurotten".

Der haitianische Premierminister Garry Conille lobte die kenianische Regierung dafür, "Haiti im Kampf gegen die Unsicherheit, die unsere Gesellschaft zersetzt, zu begleiten". Conille wurde erst vor zwei Wochen durch neu geschaffene, selektive Institutionen und Abkommen in das Amt eingesetzt und von der US-Botschaft demonstrativ bestätigt (amerika21 berichtete). Wahlen fanden seit 2016 nicht mehr statt.

Indes hat der bekannte Anführer der Koalition "Viv Ansanm" (Zusammen leben), Jimmy Cherizier, dessen Profil in Haiti als Bandenchef wie auch politischer Akteur beschrieben wird, Premier Conille zum Dialog aufgerufen. Er sei bereit, eine Befriedung des Landes zuzulassen, erklärte Cherizier, dessen bewaffnete Kräfte als Hauptziel der multinationalen Polizeimission gelten. Wenige Tage vor der Ankunft der ersten Einheit Kenias waren haitianische Spezialeinheiten gegen einen Stützpunkt Cheriziers im Stadtteil Delmas, Port-au-Prince, vorgerückt, jedoch blutig zurückgeschlagen worden.

Nach der Bestätigung der bewaffneten internationalen Intervention durch die UNO im Oktober hatte Cherizier noch erbitterten Widerstand angekündigt und jede Regierung abgelehnt, die von außerhalb des Landes installiert werde. Diese Ablehnung teilen bedeutende politische und soziale Kräfte in Haiti, die von Beginn an von den Bemühungen um eine Stabilisierung des Landes ausgeschlossen waren.

Conille soll sich auf einer Pressekonferenz nicht völlig gegen die Möglichkeit des Dialogs ausgesprochen haben. "Zuerst müssen sie die Waffen niederlegen, dann die Autorität des haitianischen Staates vor allen anderen Bestimmungen anerkennen und dann werden wir sehen, was wir tun können", erklärte der Premierminister.

Der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur spricht von "Unsicherheit und wachsender Skepsis" darüber, ob die "multinationale Sicherheitsunterstützungsgruppe" in der Lage sein wird, ihren Auftrag zur Befriedung des Landes zu erfüllen. Das neue Mandat sei "prekär", nicht zuletzt "in Anbetracht der sieben vorangegangenen militärischen Interventionen, die seit 1990 das Land nicht nachhaltig stabilisieren konnten und in vielen Fällen die bestehenden Probleme eher verschärft haben", so der international aufgestellte Sender.

Diese Bilanz veranlasse die Haitianer zu Misstrauen gegenüber dem internationalen Kontingent. Die Wirksamkeit der kenianischen Mission werde "nicht nur von ihren taktischen Fähigkeiten abhängen, sondern auch von ihrer Fähigkeit, sich an die komplexe sozio-politische Dynamik Haitis anzupassen und dabei die Menschenrechte zu achten".

Diese Skepsis wird angesichts der aktuellen Unruhen im Herkunftsland der Polizeieinheiten, die in Haiti eingetroffen sind, verstärkt. Landesweite Proteste in Kenia gegen geplante Steuererhöhungen eskalierten am Dienstag, als die Polizei Tränengas und scharfe Munition gegen die Demonstrierenden einsetzte. Das Verteidigungsministerium bestätigte die Unterstützung der Polizei durch Militär. Die Einsatzkräfte schossen auf Demonstrierende, es gab mindestens 22 Todesopfer.

Der kenianische Präsident Ruto hatte die Proteste als "Verrat" bezeichnet, ohne auf die wachsende Empörung über ein umstrittenes Finanzgesetz einzugehen. Schließlich zog Ruto gestern das Gesetz zurück.