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Fake news: Medien warnen vor "Terror" in Kolumbien gegen Biodiversitätsgipfel der UNO

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Die Post des EMC-Farc vom 16. Juli
Die Post des EMC-Farc vom 16. Juli

Cali. Anders als in vielen Medien dargestellt, haben die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Zentralkommando (EMC-Farc) keine direkte Drohung gegen das Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zur Biodiversität ausgesprochen, das in Cali Ende Oktober stattfinden soll.

Die Konferenz der Vertragsparteien (Conference of the Parties, COP) ist das wichtigste Diskussions- und Verhandlungsforum für das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt, das 1992 in Rio de Janeiro unterzeichnet und zunächst von 150 Ländern ratifiziert wurde. Das Motto des diesjährigen Treffens lautet "Frieden mit der Natur".

Auf ihrer Plattform bei X hatte das EMC-Farc am 16. Juli zwei Posts veröffentlicht, darin heißt es: "COP16 wird scheitern", auch wenn die Regierung "die Stadt mit Gringos militarisiert". Als "Gringo" werden US-Amerikaner:innen bezeichnet.

Aus diesen Posts wurde eine "Terrordrohung" gemacht und so von zahlreichen Medien unter anderem mit Bezug auf AFP übernommen. Das mexikanische Investigativmagazin Contraréplica schreibt etwa: "Guerillas der wichtigsten Dissidentengruppe der inzwischen aufgelösten Farc bedrohten die COP16". France24 titelte: "Farc-Dissidenten bedrohen COP16-Biodiversitätsgipfel in Kolumbien". El Nuevo Siglo aus Kolumbien geht noch weiter: "Höchste Alarmstufe wegen Bedrohung der COP16 durch Farc-Dissidenten".

In ihren Posts auf X kritisieren die Farc unter anderem auch die Umweltpolitik von Präsident Gustavo Petro sowie die Militarisierung des Amazonasgebietes, die Vergabe von Goldexportlizenzen und die geplante Militärbasis auf der Insel Gorgona. Sie werfen Petro zudem vor, "einen ehrlichen und offenen Dialog" über seine "extraktivistische Politik" zu verweigern.

Vor allem wird auch ein Abkommen mit Deutschland über die Nutzung und Aufbereitung von Wasser kritisiert. Deutschland und Kolumbien haben vor rund einem Jahr eine Absichtserklärung zu einer Klima-Allianz unterzeichnet. Deutschland soll demnach in den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Schutz der Wälder und der biologischen Vielfalt sowie in eine nachhaltige Stadtentwicklung für Kolumbien investieren. Damals wurde eine zusätzliche finanzielle Unterstützung von bis zu 200 Millionen Euro für die Umsetzung der Klimaziele des südamerikanischen Landes vorgeschlagen.

Laut der Außenwirtschaftsagentur des Bundes nutzt Kolumbien sein Wasser "nicht effizient", aber "Lösungen kommen auch aus Deutschland". Auf der Internetseite werden mehrere Abwasser- und Kläranlagen-Bauprojekte in Kolumbien vorgestellt, die aus Deutschland finanziert oder mitfinanziert werden.

Admiral Francisco Cubides, Kommandeur der kolumbianischen Streitkräfte, versicherte indes im Hinblick auf die Medienberichte über eine angebliche "Terrordrohung", dass die Sicherheit bei der UN-Veranstaltung gewährleistet sei. Es befänden sich etwa 500 Soldaten der 3. Brigade und etwa 600 Soldaten des Bataillon urbaner Spezialkräfte in Cali. Sie würden eng mit der Polizei zusammenarbeiten. Für die Durchführung des Gipfels werden in die drittgrößte Stadt Kolumbiens rund 12.000 Uniformierte zur Unterstützung entsandt.

Verteidigungsminister Iván Velásquez sagte, er werde die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz Calis und der Gäste der COP16 ergreifen. Es werde "ausreichende Sicherheitsvorkehrungen in allen Bereichen" geben.

Umweltministerin Susana Muhamad vertagte die Präsentation des Programms für das Gipfeltreffen aufgrund der Meldungen um vier Tage, versicherte aber, dass "die Organisation der COP16 weiterhin planmäßig verläuft". Sie bestätigte auch, dass "alle Sicherheitsgarantien für einen erfolgreichen und reibungslosen Ablauf der Konferenz gegeben sind".

Auch wenn die Sicherheit des Gipfeltreffens nicht durch eine konkrete Drohung gefährdet ist, bringt wenige Monate vor der Ausrichtung des UN-Gipfels die Gewalt der Farc-Dissidenten die Organisatoren und die Gastgeberstadt Cali in eine schwierige Lage. Das EMC führt vor allem im angrenzenden Departamento Cauca und im Valle del Cauca mit seiner Hauptstadt Cali an der Pazifikküste Angriffe gegen Polizei und Militär durch. Im nur knapp 30 Kilometer vom Ausrichtungsort der COP16 entfernten Dorf Robles explodierte am 19. Juli eine Motorradbombe vor der Polizeistation. Fast täglich werden bewaffnete Angriffe durch Dissidenten gemeldet.

Besonders paradox ist, dass viele der Teilnehmer:innen am Gipfel Umwelt- und Klimaaktivist:innen sowie Menschenrechtsverteidiger:innen sein werden und in ein Land reisen, in dem allein 2024 bereits über 80 Aktivist:innen ermordet wurden. Die gefährlichsten Regionen sind Cauca, Putumayo, Nariño und Valle del Cauca, Departamentos im Südwesten des Landes, in denen viel Koka angebaut wird.