Widersprüchliche Angaben zu Opfern der Gewalt nach Wahl in Venezuela

Oppositionelle Organisationen prangern staatliche Repression an. Generalstaatsanwalt legt Bilanz der Personen- und Sachschäden bei Protesten vor

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Festgenommene nach Krawallen im Bundesstaat Táchira: Für die einen rechte Gewalttäter, für die anderen soziale Protestler
Festgenommene nach Krawallen im Bundesstaat Táchira: Für die einen rechte Gewalttäter, für die anderen soziale Protestler

Caracas. Nachdem es in Venezuela im Zuge der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 28. Juli zu Ausschreitungen gekommen ist, beklagen oppositionelle Organisationen zunehmende staatliche Repression. Der Generalstaatsanwalt wiederum hat eine Bilanz der Toten und Verletzten sowie der Schäden vorgelegt und macht kriminelle Gruppen, die der Opposition nahestehen, dafür verantwortlich.

Am 29. und 30. Juli kam es in verschiedenen Städten Venezuelas einerseits zu Demonstrationen gegen das offizielle Wahlergebnis, andererseits zu gewaltsamen Ausschreitungen und Überfällen auf Polizeistationen, staatliche Einrichtungen und Büros der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV). Es kam auch zu Gewalttaten gegen bekannte Chavisten, zwei weibliche Mitglieder der Regierungspartei PSUV wurden ermordet. Zu den Anschlägen bekannten sich teilweise kriminelle Banden, die den Behörden auch offen mit weiterer Gewalt drohten.

In der Folge gingen Sicherheitskräfte gegen Beteiligte vor, was innerhalb von zwei Tagen zur Beruhigung der Lage führte. Verschiedene oppositionelle Menschenrechtsorganisationen beklagten indes in den vergangenen zwei Wochen wiederholt eine zunehmende Repression nicht nur gegen Gewalttäter, sondern auch gegen politisch missliebige Personen. Die aus dem regierungskritischen Chavismus kommende Organisation Surgentes prangerte etwa eine "Kriminalisierung der Proteste" und ein gemeinsames Vorgehen von staatlichen Sicherheitskräften und bewaffneten Zivilisten gegen Personen an, die sich an Protesten beteiligt hatten.

Die der rechten Opposition nahestehende Organisation Provea schrieb von "schweren Verstößen durch die venezolanischen Behörden" und einer "unverhältnismäßigen Anwendung von Gewalt", die in den Tagen nach der Wahl "das Leben von mindestens zwei Dutzend Demonstranten gefordert" habe.

Am 12. August legte dann Generalstaatsanwalt Tarek William Saab eine erste Bilanz der offiziellen Untersuchungen der Ausschreitungen vor. Saab sprach von 25 Todesopfern, darunter zwei Angehörigen der Nationalgarde. Über zwei Drittel der Todesopfer seien während der Ausschreitungen am Abend des 29. Juli zu beklagen gewesen. Verantwortlich für die Tötungen seien die sogenannten "Comanditos", die dem Umfeld der Wahlkampagne des von den USA unterstützten Oppositionsbündnisses Einheitliche Plattform für ihren Kandidaten Edmundo González zuzurechnen seien. Zudem seien 192 Menschen verletzt worden, darunter 97 Beamte der Sicherheitskräfte. Die Mehrheit der Verletzten hätten Schuss- und Stichwunden, Verletzungen durch harte Gegenstände und Brandbomben erlitten, führte Saab weiter aus.

Bei den Ausschreitungen seien unter anderem 21 Grundschulen, 34 weiterführende Schulen, zwölf Universitäten, zehn Gebäude der Wahlbehörde, zehn Büros der PSUV sowie der Sitz des Ministeriums für Wohnungsbau angegriffen worden. Auch fast 50 Haltestellen von Metro und Buslinien, 38 Busse, über 30 medizinische Einrichtungen und 27 Polizeifahrzeuge seien beschädigt oder zerstört worden. "Dies hat nichts mit friedlichen Demonstrationen zu tun, wie einige Leute in einigen Teilen der Welt versucht haben, es darzustellen", fasste Saab zusammen.

Präsident Nicolás Maduro hatte bereits am 7. August bekannt gemacht, dass über 2.200 Personen infolge der gewaltsamen Proteste verhaftet worden seien. Weiter kündigte er die Eröffnung zweier neuer Hochsicherheitsgefängnisse an.

Während die Behörden auf die Schwere der begangenen Delikte verweisen und eine Politik der "harten Hand" ankündigten, beklagte ein "Komitee von Angehörigen und Freunden von gefangenen Arbeitern", dass sich die Repression insbesondere gegen Menschen in Armenvierteln richte und dass den Verhafteten ein Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert werde. Ebenso würde den Gefangenen das Recht verweigert, ihre Familien zu kontaktieren.

Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, äußerte sich kritisch und verwies auf "willkürliche Verhaftungen", "unverhältnismäßige Gewaltanwendung" durch die venezolanischen Behörden und ein "daraus resultierendes Klima der Angst".

In einer Stellungnahme bezeichnete die venezolanische Regierung die Äußerungen Türks als "unangebracht". Seine Haltung begünstige "gewalttätige Banden, die den Frieden und das Wohlergehen der venezolanischen der Bürger angegriffen haben". Das Außenministerium wirft ihm vor, "die Gewalttaten im Land, einschließlich der Morde und der Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, zu ignorieren" und fordert ihn auf, "seine provokative Haltung aufzugeben und sich dem Kampf gegen ultrarechte Gewalt im Land anzuschließen".