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Argentinien: Präsident Javier Milei schließt staatliche Nachrichtenagentur Télam

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Demonstration gegen die Schließung der staatlichen Nachrichtenagentur Télam in Argentinien
Demonstration gegen die Schließung der staatlichen Nachrichtenagentur Télam in Argentinien

Buenos Aires. Die Polizei hat die staatliche argentinische Nachrichtenagentur Télam geschlossen. Die Aktion wurde auf direkten Befehl von Staatschef Javier Milei durchgeführt.

Als die Mitarbeiter am vergangenen Montagmorgen ihre Arbeit aufnehmen wollten, war das Gebäude von Polizeieinheiten umstellt und mit Metallbarrieren verbarrikadiert worden. Den Mitarbeitern wurde per Mail mitgeteilt, dass sie von der Arbeit freigestellt sind. Das Onlineportal der Agentur mit dem umfangreichen Archiv wurde vom Netz genommen.

Milei hatte bei seiner Rede zur Eröffnung der Parlamentssaison angekündigt, die Agentur schließen zu wollen. Laut Gesetz kann sie aber nur durch das Parlament aufgelöst oder privatisiert werden, nicht per Dekret des Präsidenten. Daher war der Schritt nicht ernsthaft erwartet worden. Die Maßnahme erinnert im Land daher stark an Ereignisse aus Zeiten der Diktatur (1976-1983). 

Ein Teil der Mitarbeiter hat sich nun zusammengetan und das Onlineportal Somos Télam (wir sind Telam) eröffnet, um die Tätigkeit weiter zu führen. Mehrfach kam es zuvor bereits zu Demonstrationen gegen die Schließung. Zahlreiche nationale und internationale Medien sowie verschiedene Gewerkschaften haben sich mit den Télam-Mitarbeitern solidarisiert und die Rücknahme der Maßnahme verlangt.

Milei begründet die Schließung damit, dass Télam eine "Propagandaagentur der Kichneristen" sei, wie er während seiner Rede zur Parlamentseröffnung erklärt hatte.

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Weiter wurden wirtschaftliche Argumente angeführt. Manuel Adorni, Sprecher des Präsidenten, erklärte, die Schließung habe nichts mit "Informationspluralismus oder Pressefreiheit zu tun". Dieses Jahr habe "Télam einen geschätzten Verlust von 20 Milliarden Pesos gemacht" (23 Millionen US-Dollar zum offiziellen Wechselkurs).

Aus dem Umfeld der Agentur wurde erklärt, es gehe der Regierung "um die Kontrolle der Medien". 

Denn nicht nur Telam leidet unter den Angriffen auf die Medien und die Informationsfreiheit durch die Regierung. Bei dem staatlichen Radiosender Radio Nacional wurden nach dem Regierungswechsel hunderte von Mitarbeiterverträgen gekündigt oder nicht verlängert. Auch hier ist die erklärte Absicht, diesen Sender und auch den staatlichen Fernsehsender Canal 7 zu privatisieren oder zu schließen.

In der Vergangenheit gab es bereits einige Versuche, die am 15. April 1945 gegründete Agentur Télam loszuwerden: Während der Diktatur von Pedro Aramburu (1955-1958) überlebte sie die Schließung im Jahr 1957, weil sie ein Jahr lang von zwölf Mitarbeitern ehrenamtlich fortgeführt wurde. Präsident Arturo Frondizi (1958-1962) privatisierte die Agentur 1959, von Diktator Juan Carlos Onganía (1966-1970) wurde sie wieder verstaatlicht. Zuletzt versuchte Hernan Lombardi, Mediensekretär unter Präsident Mauricio Macri (2015-2019), die Schließung zu erreichen, indem er die Agentur durch die Entlassung von 378 Mitarbeiter lahmlegte. Dieser Schritt wurde aber nach einem Jahr von der Justiz wieder aufgehoben.

Télam hat viele Jahrzehnte unter Regierungen jeder Couleur gearbeitet und dabei ein hohes Ansehen gewonnen. Wichtige Bilder der neueren argentinischen Geschichte wurden von Fotografen der Agentur aufgenommen, zum Beispiel zum Malwinenkrieg, den Demonstrationen zum Ende der Diktatur, den Müttern von Plaza de Mayo oder den sozialen Unruhen im Jahr 2001.