Haiti / USA / Politik

Premier von Haiti zu Gesprächen in den USA, Dialog zuhause fraglich

Hochrangige Begegnungen in Washington. Prominenter Anführer der "Bandenkoalition" ruft zum Kampf gegen Kenias Präsenz im Land auf

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US-Außenminister Blinken sicherte dem haitianischen Premier Conille (2.v.re.) Unterstützung zu
US-Außenminister Blinken sicherte dem haitianischen Premier Conille (2.v.re.) Unterstützung zu

Washington/Port-au-Prince. Der haitianische Premier Garry Conille und seine Ministerdelegation haben der US-Regierung und verschiedenen Institutionen die Grundzüge ihres Übergangsprogramms zur Lösung der haitianischen Krise vorgestellt.

In diesem Zusammenhang berichteten Medien über Arbeitstreffen mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank, der Weltbankgruppe, mit dem stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater der Regierung von Joe Biden, Jon Finer, einem hohen Funktionär von USAID, dem Generalsekretär der OAS, Luis Almagro, der Generaldirektorin des IWF, Cristalina Georgieva und mit US-Außenminister Antony Blinken.

Blinken bekräftigte nach Gesprächen mit Conille und seinem Außenminister Dominiquie Dupuy das "Engagement der Vereinigten Staaten für die Mission und das haitianische Volk" und betonte gleichzeitig die "Bedeutung einer guten Regierungsführung, einschließlich der Ermöglichung freier und fairer Wahlen, eines integrativen Wachstums und der Bereitstellung humanitärer Hilfe".

Das breit und hochrangig aufgestellte Engagement verweist auf den intensiven Einsatz der USA und mit ihnen verbundener Institutionen für einen Erfolg der offiziell Multinational Security Support Mission (MSS) genannten internationalen Polizeimission in Haiti. Die MSS wurde im Oktober letzten Jahres vom UN-Sicherheitsrat genehmigt und ist in den letzten Tagen mit der Ankunft erster Einsatzkräfte aus Kenia angelaufen.

Conille machte sich Ende letzter Woche auf den Weg in die USA, nicht ohne den Wunsch seitens der wichtigsten Kräfte der "Koalition von Banden" nach einem Dialog über die Befriedung Haitis abzuweisen. Der Premier forderte zunächst eine Waffenabgabe und die Anerkennung seiner Regierung. Diese wurde nicht gewählt, sondern von einem Übergangsrat installiert, der unter Ausschluss der politischen Kräfte, die die ausländische Intervention ablehnen, zustande gekommen ist (amerika21 berichtete).

Die Erstürmung und anschließende Zerstörung einer Polizeistation in der Gemeinde Gressier südlich von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince durch Mitglieder der "Bandenkoalition" Vivre Ensemble (Zusammen leben) gilt als eine erste Reaktion auf die Zurückweisung eines ergebnisoffenen Dialogs. Trotz patrouillierender kenianischen Einsatzkräfte, die die haitianische Nationalpolizei unterstützen, sollen die irregulären Bewaffneten ihre koordinierten Angriffe, unter anderem gegen ein Umspannwerk, fortgesetzt haben.

Nachdem der haitianische Premier das Gesprächsangebot des bekannten Anführers von Vivre Ensemble, Jimmy Chérizier, unter Vorbehalte gestellt hatte, rief Chérizier seine Leute auf, sich zu erheben und gegen die kenianischen Truppen zu kämpfen. Mehrere haitianische Medien strahlten seine entsprechende Audiobotschaft aus.

Indes sind Einzelheiten über die vertraglichen Grundlagen der Stationierung der internationalen Polizeimission in Haiti veröffentlicht worden. Diese könnten die Ablehnung im Land gegen die erneute Intervention und den Verweis auf das Scheitern früherer ähnlicher Missionen untermauern.

Für Ausrüstung und Unterhaltung des Personals fließen enorme Summen und sind lukrative Aufträge vergeben worden. Der Kontrast zu dem Elend, in dem weite Bereiche der haitianischen Bevölkerung leben, ist groß.

Die größte haitianische Wochenzeitung Haiti Liberté schilderte Leistungen, die für die Mission erbracht werden, für die Bevölkerung aber unerreichbar sind. Demnach ging ein erster Auftrag im Wert von 30,5 Millionen US-Dollar für die Sicherheit der neu eingerichteten Basis an ein kanadisches Unternehmen.

Das Pentagon habe Ausschreibungen für eine Breitband-Internetfirma, die 1.400 Kunden unter dem Personal der Mission betreuen kann, und eine weitere kommerzielle Firma für Hygienedienstleistungen für die multinationale Truppe, die Zahnpasta, Shampoo, Zahnbürsten, Hautcremes und Betten für die Unterbringung von 1.300 Kunden anbietet, veröffentlicht. Reinigungsdienste würden wöchentlich 150 US-Dollar pro Person kosten, LKW-Fahrer bis zu 1.800,00 US-Dollar verdienen.

Die Zeitung kritisiert, dass Haiti seine Souveränität einmal mehr verloren habe. Die multinationale Mission schütze nur die Verantwortlichen für die Krise, sowohl aus dem öffentlichen als auch aus dem privaten Sektor, und "die Verschleuderer der Gelder" im Land vor dem Zorn der Bevölkerung.

Bei einer Berichterstattung vor dem UN-Sicherheitsrat am Mittwoch in New York stellte die UN-Sonderbeauftragte für Haiti, Maria Isabel Salvador, deutliche Fortschritte im Land fest und begrüßte die Entsendung der ersten kenianischen Truppen und die Bildung des Übergangsrates.