Bolivien / Politik / Wirtschaft

Präsident von Bolivien kündigt Referendum an

Bevölkerung soll in politischen Schlüsselfragen entscheiden, unter anderem über Subventionen für Treibstoffe und Wiederwahlmöglichkeit von Präsidenten. Breite Zustimmung, aber auch Kritik

bolivien_luis_arce_referendum.jpg

Präsident Arce bei seiner Rede in Sucre am 7. August
Präsident Arce bei seiner Rede in Sucre am 7. August

Sucre. Boliviens Präsident Luis Arce hat anlässlich des 199-jährigen Bestehens Boliviens eine Volksbefragung angekündigt.

In seiner Rede im "Haus der Freiheit" in Boliviens Hauptstadt Sucre sprach Arce über die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen des Landes. Im Zentrum seiner Rede stand die Ankündigung, dass die Bevölkerung in einem Referendum über drei politische Schlüsselthemen entscheiden soll: Subventionspolitik, die Sitzverteilung im Parlament und die Wiederwahl von Präsidenten.

Arce sagte: "Schwierige Zeiten erfordern entschlossene, reife und durchdachte Entscheidungen und Menschen, die im Angesicht von Widrigkeiten nicht den Mut verlieren. Und dies ist genau ein solcher Moment. Aus diesem Grund rufe ich zu einem Referendum auf". Er stützt sich auf das Wahlgesetz 026, das den Staatschef ermächtigt, per Oberstem Dekret ein Referendum einzuberufen.

Die Bevölkerung soll darüber entscheiden, ob die staatliche Subventionierung für Kohlenwasserstoffe beibehalten werden soll oder nicht. Allein in diesem Jahr beliefen sich diese Subventionen auf 9,803 Milliarden Euro.

Daneben soll das Referendum über die Verteilung der Sitze in der gesetzgebenden Versammlung entscheiden. Laut Artikel 146 setzt sich diese aus 36 Senatoren und 130 Abgeordneten zusammensetzt. Die Frage ist nun, wie die 130 Sitze unter Berücksichtigung der Ergebnisse zur Volks- und Wohnungszählung vom August 2024 auf die neun Departamentos des Landes verteilt werden. Sollte das Referendum einer stärkeren parlamentarischen Vertretung der bevölkerungsreichsten Regionen zustimmen, ohne die anderen zu benachteiligen, sehen einige Analysten eine Verfassungsreform als notwendig an, um die festgelegte Gesamtzahl der Abgeordneten anzupassen.

Als Drittes soll das umstrittene Thema der Wiederwahl von Präsidenten behandelt werden. Arce schlug vor, die Bevölkerung über die "kontinuierliche oder diskontinuierliche Wiederwahl von Präsidenten und Vizepräsidenten" befragen zu lassen. "Damit die politischen Akteure nicht erneut die Stabilität und die Wirtschaft der bolivianischen Familien beeinträchtigen, ist es wichtig, die Art der Wiederwahl, die in Artikel 168 unserer politischen Verfassung festgelegt ist, zu präzisieren", führte er aus. Das Ziel sei also zu verhindern, dass diese Angelegenheit als politisches Instrument missbraucht werde. Derzeit ist eine einzige Wiederwahl in Folge möglich.

Des Weiteren berichtete Arce über aktuelle Investitionen in landesweite Projekte und stellte die staatlichen Strategien zur Bewältigung der derzeitigen Wirtschaftskrise vor, die von Treibstoff- und Dollarknappheit geprägt ist. Er verkündete die Einberufung eines nationalen Dialogs, um eine Änderung der festen Wechselkurse und die Förderung von Ex-und Importen zu prüfen. Insbesondere angesichts der Treibstoffknappheit, die zuletzt zu Protesten führte, informierte der Präsident über den Beschluss der Regierung, den Verbrauch von Premium Plus Benzin zu fördern und zudem eine alternative Benzinsorte, Ultra Premium 100, einzuführen. Das neue Ultra Premium soll künftig 6,71 Bolivianos und das Premium Plus entsprechend den Schwankungen des internationalen Ölpreises 5,71 Bs kosten, was einer Erhöhung um 20 Prozent  entspricht.

Als Maßnahme gegen die Dollarknappheit im Land schlug Arce vor, zusätzlich zu finanziellen Anreizen zur Steigerung der Biodieselproduktion die Nutzung von Plattformen und digitalen Zahlungsformen zu ermöglichen, um die finanziellen Aktivitäten im Land zu stärken.

Arces Ankündigung führte zu gespaltenen Meinungen. Einige Analysten bezweifeln die Wirksamkeit. Der Ökonom Mauricio Ríos hinterfragte etwa, ob ein Referendum die wirtschaftlichen Probleme des Landes tatsächlich lösen könne. Luis Fernando Romero, der Präsident der Vereinigung der Ökonomen von Tarija, kritisierte die Rede als zu stark politisch als wirtschaftlich geprägt und betonte, dass kritische Aspekte ignoriert worden seien.

Der Evista-Flügel innerhalb der Regierungspartei Movimiento al Socialismo (MAS), der sich hinter Ex-Präsident Evo Morales stellt, kritisierte den Vorschlag zwar, akzeptierte ihn jedoch insgesamt.

Abgeordnete des Arcista-Flügels stelten sich hinter die Forderungen des Präsidenten. Der Abgeordnete Deysi Choque sagte, die Botschaft Arces zeige, dass er wisse, wie man das Land führe und dass er die wirtschaftlichen Probleme lösen wolle.

Auch aus dem Privatsektor erhielt der Vorschlag viel Zustimmung. Rolando Kemff, der Präsident der Föderation privater Unternehmer von La Paz, lobte Arce dafür, der erste Präsident zu sein, der ein Referendum zur Aufhebung der Treibstoffsubventionen vorschlage, und bezeichnete diese Maßnahme als "notwendig", um die Staatsausgaben zu senken und die Einnahmen des Landes zu steigern. Zudem wurde auch die Einberufung des Nationalen Dialogs für die Wirtschaft im Privatsektor stark begrüßt und die Unternehmen zeigten sich erfreut über die Einladung zur Teilnahme.