Militär von Ecuador offenbar verstrickt in Ermordung von Minderjährigen

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Eine riesige Menschenmenge in Guayaquil betrauert die Ermordeten
Eine riesige Menschenmenge in Guayaquil betrauert die Ermordeten

Guayaquil. Unter großer öffentlicher Anteilnahme haben Familien und Freund:innen vier ermordete Minderjährige in Guayaquil beerdigt. Ein Trupp Militärs verschleppte am 8. Dezember Steven Medina (11), Nehemías Arboleda (15) und die Brüder Josué (14) und Ismael Arroyo (15) unweit ihrer Nachbarschaft.

Zwei Wochen später wurden ihre verkohlten Leichen in einem 50 Kilometer entfernten Sumpf in der Nähe des Ortes Taura gefunden.

Die Jungen stammten aus Las Malvinas, einem der Viertel von Guayaquil, wo "die Armut das Leben der Familien prägt, die im informellen Handel oder mit prekären Jobs ums Überleben kämpfen", wie El Pais schreibt.

In der Nachbarschaft gehören viele Menschen, auch die vier Jungen und ihre Familien, zur afro-ecuadorianischen Gemeinschaft, die wirtschaftlich und sozial oft benachteiligt wird. "Sie [die Sicherheitskräfte] kommen nur in die Viertel, die an den Rand gedrängt sind, und verüben all diese Gräueltaten. Das ist Diskriminierung gegen die afro-ecuadorianische Ethnie", sagt Luis Arroyo, Vater von Josué und Ismael.

Verteidigungsminister Giancarlo Loffredo hatte zunächst die Beteiligung des Militärs geleugnet und kriminelle Banden der Tat beschuldigt. Als das Video einer Überwachungskamera auftauchte, welches dies eindeutig widerlegte, behauptete Loffredo, dass die Jungen einen Raubüberfall begangen hätten. Das Video belegt aber diese Anschuldigung nicht.

Laut der Rekonstruktion der Ereignisse schlugen die Militärs die vier Minderjährigen und zwangen sie dazu, sich auszuziehen, bevor sie in Taura laufen gelassen wurden. Nackt und verängstigt kamen sie an die Tür eines Anwohners, wie dieser berichtete. Er gab ihnen Wasser und Kleidung und ließ sie telefonieren. Ismael rief seinen Vater an, der die Polizei verständigte. Doch noch bevor die Polizei eintraf, tauchten zwei vermummte Personen auf Motorrädern auf und verschleppten die Jungen in die Richtung, wo später ihre Leichen gefunden wurden.

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Die öffentliche Empörung über das Verbrechen übt immensen Druck auf die Staatsanwaltschaft aus. Sie führte eine Razzia in der Militärbasis von Taura durch und beantragte am 24. Dezember, 16 mutmaßlich beteiligte Militärs wegen des Verschwindens der Jungen anzuklagen. Das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen kann in Ecuador mit 26 Jahren Haft bestraft werden. Auf richterliche Anordnung befinden sich die Beschuldigten derzeit in Untersuchungshaft im Gefängnis von Latacunga.

Dennoch hat Regierungsminister José de la Gasca öffentlich bezweifelt, dass zwischen dem Verschleppen der Jungen und ihrer Ermordung ein Zusammenhang besteht. Ihm zufolge gibt es eine Kampagne, die gegen das Image der Streitkräfte gerichtet ist. Das Militär genieße jedoch weiterhin den Rückhalt der Regierung und sei unerlässlich im Ausnahmezustand, den Präsident Daniel Noboa mit der Begründung eines "internen bewaffneten Konflikts“ vor einem Jahr ausgerufen hat (amerika21 berichtete).

Jan Jarab, Menschenrechtsbeauftragter der Vereinten Nationen für Südamerika, nannte indes die Tat eine schwere Verletzung der Menschenrechte und verlangte, dass sie "einen Wendepunkt in der Art und Weise markieren muss, wie die öffentliche Sicherheitspolitik des Landes betrieben wird".

Die Gewalt in Ecuador ist seit einigen Jahren eskaliert. 2023 wies das Land die höchste Mordrate in ganz Lateinamerika auf und die Effektivität von Präsident Noboas Politik der Militarisierung der öffentlichen Sicherheit ist höchst umstritten (amerika21 berichtete).

Die ecuadorianische Nationalversammlung hat in Reaktion auf die Morde den 8. Dezember zum Nationalen Trauertag zu Ehren von Steven, Nehemías, Josué und Ismael erklärt und sich dazu verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, um Gerechtigkeit zu schaffen und zu verhindern, dass sich derlei Ereignisse wiederholen.