Peru / Politik

Politische Dauerkrise in Peru: Kongress spricht Kabinett das Misstrauen aus

Misstrauensvotum führt zur sechsten Kabinettsumbildung in nur zwei Jahren. Linksparteien werfen Regierung Vernachlässigung der Bürgerinteressen vor

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Ex-Premierminister Pedro Cateriano war am Montag vom Parlament das Misstrauen ausgesprochen worden
Ex-Premierminister Pedro Cateriano war am Montag vom Parlament das Misstrauen ausgesprochen worden

Lima. Die politische Krise in Peru geht in eine neue Runde: Am Donnerstag hat Präsident Martín Vizcarra ein neues Kabinett eingeschworen, bereits das sechste in seinen zwei Jahren Amtszeit. Zuvor hatte am Montag das erst kürzlich ernannte Vorgänger-Kabinett unter Premierminister Pedro Cateriano die Abstimmung über die Vertrauensfrage vor dem Kongress unerwartet verloren. Mit dem Ex-Verteidigungsminister und General, Walter Martos, wird nun ein Militär die Regierungsgeschäfte als neuer Premier übernehmen.

Beobachter sind sich uneins über die Bewertung des überraschenden Misstrauensvotum, denn die Bestätigung eines neu einberufenen Kabinetts gilt in der Regel als Routineabstimmung. Während der Präsident und seine Verbündeten der Legislative eine Strategie zur Behinderung wichtiger Reformen aufgrund von Partikularinteressen vorwerfen, weist die peruanische Linke auf die stark unternehmerfreundliche Agenda Caterianos und die Vernachlässigung der sozialen und gesundheitlichen Krise hin, die für das Parlament nicht tragbar gewesen seien.

In der Tat stimmten höchst unterschiedliche politische Kräfte gegen das Kabinett oder enthielten sich bei der Abstimmung: Auf der einen Seite Linksparteien wie die progressive Breite Front, die nationalistische Union für Peru und die Agrarische Front, auf der anderen Seite die zentristische Volksaktion (AP), die die größte Fraktion im Parlament stellt, sowie die Rechtsparteien Allianz für den Fortschritt und "Peru, wir können". Für die parteilose Regierung wiederum votierten nicht nur die traditionell Vizcarra-treuen Mitte-Rechts-Parteien, sondern auch die fujimoristische Volkskraft.

Vizcarra gibt vor, es ginge seinen Gegnern lediglich um die Verhinderung seines Reformprogramms – insbesondere seiner Anti-Korruptions- und Universitätsreform. Unter denen, die Cateriano das Misstrauen ausgesprochen hatten, waren mehrere Abgeordnete, die selbst von Korruptionsermittlungen betroffen sind. Auch die Universitätsreform, die höhere Standards für private Bildungseinrichtungen festlegt, war wiederholt von Parlamentariern kritisiert worden, die selbst zu Besitzern oder Anteilseignern privater Hochschulen zählen. Dementsprechend hatte der Präsident betont: "Die Reform ist nicht verhandelbar!"

Nichtsdestotrotz stand das alte Kabinett von Anfang an in der Kritik, seinen Fokus zu stark auf Konzerninteressen gerichtet zu haben. Als exemplarisch dafür galt die Personalie Martín Ruggieros, der als 32 Jahre junger Unternehmensanwalt ohne Erfahrung im Staatsdienst zum Arbeitsminister ernannt worden war. Ex-Premier Cateriano hatte darüber hinaus bekundet, dass im Zentrum seiner Amtszeit die Expansion des Bergbaus stehen werde, wofür er ökologische und partizipative Standards senken wollte.

Cateriano habe für die Mehrfachkrise der Covid-19-Pandemie keine Lösung gehabt, meint Parlamentspräsident Manuel Merino. "Für die Kabinettskrise ist der Präsident ausschließlich selbst verantwortlich, denn er weiß, dass seine Gesundheits- und Wirtschaftspolitik gescheitert sind", so der AP-Abgeordnete.

Für Omar Cavero vom linken Think-Tank "Emanzipation" ist die Sache ebenfalls klar: "[Caterianos] Haltung war so arrogant […] und seine Positionen so rabiat unternehmerfreundlich, […] dass selbst bei den Rechten Zweifel aufkamen." Des Weiteren wirft er den regierungsfreundlichen Parteien Heuchelei vor: "Wir dürfen dieses Bild niemals vergessen, als die liberalen "Anti-Fujimoristen" gemeinsam mit den Fujimoristen einem Kabinett das Vertrauen aussprachen, das ungewöhnlich ehrlich ein Programm [...] der nationalen Plünderung und Ausbeutung vertrat, und das Mitten in der Krise."

Das neue Kabinett unter Walter Martos führt mit der Ausnahme von vier Ministern – darunter Arbeit und Bergbau – alle Amtsträger weiter. Seitdem 2018 nach dem Rücktritt des Ex-Präsidenten Pedro Pablo Kuczynskis Vizcarra vom Vize zum Staatsoberhaupt aufrückte, war dessen Regierungszeit von extremer personeller Instabilität geprägt. Als Parteiloser ist er auf lose Bündnisse im Parlament angewiesen.

Vizcarras hohe Beliebtheit sank zuletzt von zeitweise 87 Prozent auf 65 ab. Peru ist mit 619 Toten pro Million Einwohner nach Belgien und Großbritannien das Flächenland mit der dritthöchsten Sterberate der Welt. Die Weltbank sagt dem Land für dieses Jahr eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um ein Achtel voraus. Damit ist der Andenstaat nach Belize das wirtschaftlich am schwersten getroffene Land Lateinamerikas. Allein in Lima ging seit März die Hälfte aller Arbeitsplätze verloren.