Debatte in Brasilien: Ist Künstliche Intelligenz eine Gefahr für die Demokratie?

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Der Präsident des STF beim diesjährigen "Brazil Forum UK 2024"
Der Präsident des STF beim diesjährigen "Brazil Forum UK 2024"

Oxford. Der Präsident des brasilianischen Bundesgerichtshofs (STF), Luís Roberto Barroso, hat sich auf einer Veranstaltung im Rahmen des Brazil Forum UK 2024 "optimistisch und besorgt" über den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) geäußert. Nach Ansicht des obersten Richters biete KI viele Vorteile für die Gesellschaft, berge aber auch Risiken. Diese müssten diskutiert werden, wie etwa die massive Verbreitung von Desinformationen.

Das Brazil Forum UK wird jährlich von brasilianischen Studenten in Großbritannien organisiert.

Für Barroso, der das Forum auch als Redner eröffnete, ist die KI in einigen Bereichen entscheidungsfähiger als der Mensch, da sie mehr Informationen in einem schnelleren Tempo verarbeiten, Tätigkeiten automatisieren und Sprache, Inhalte, Texte und Bilder generieren kann.

Jedoch wies Barroso auch auf die Risiken der Technologie hin. So geben ihm die Auswirkungen von KI für den Arbeitsmarkt durch den Verlust von Berufen, die Nutzung der Technologie für kriegerische Zwecke, die Verletzung der Privatsphäre durch die breite Nutzung von Daten sowie die algorithmische Diskriminierung Anlass zur Sorge. Eine der größten Befürchtungen sei das Risiko einer massenhaften Desinformation mit der Verwendung von Fake News und Deep Fakes, sagte er in seiner Rede.

Auch äußerte er die Befürchtung, dass Algorithmen die Diskriminierung vulnerabler Gruppen in der Gesellschaft verstärken könnten.

Mit Blick auf die Arbeitswelt könnten einige Berufe aussterben, was die Schaffung von Sozialprogrammen durch den Staat erfordern werde. "Es wird eine Lücke entstehen. Ein Busfahrer wird nicht über Nacht zum Programmierer", so Barroso.

Für die Justiz könne die KI aus seiner Sicht zwar Vorteile in Bezug auf Schnelligkeit, Effizienz und Gleichheit bringen. Er betonte jedoch, dass KI-Anwendungen die Rolle des "verantwortungsvollen Richters" nicht ablösen, sondern eher ein Hilfsmittel als eine autonome Technologie sein werden.

"Ich sehe den Aufstieg der KI im Entscheidungsprozess [von juristischen Verfahren] ohne große Vorurteile, solange es ein verantwortungsvolles menschliches Urteil gibt, denn Richter werden nicht gewählt. Was der Entscheidung eines Richters Legitimität verleiht, ist seine Fähigkeit, rational nachzuweisen, dass das Urteil gerecht und verfassungsgemäß ist, und von dieser Pflicht sind sie nicht befreit, selbst wenn die Entscheidung durch einen KI-Prozess getroffen wird", sagte er.

Der "größte Alptraum" sei, wenn KI-gesteuerte Computer ein Bewusstsein und einen eigenen Willen entwickeln würden. "Wenn das passiert, werden sie die Welt übernehmen", warnte der Präsident des STF.

Die Regulierung von KI in Brasilien hält Barroso angesichts der Geschwindigkeit des technologischen Wandels jedoch für eine "schwierige" Aufgabe. Seiner Meinung nach sollte sich die Regulierung von KI auf drei Säulen konzentrieren: 1. Grundrechte, wie Privatsphäre und Meinungsfreiheit; 2. Schutz der Demokratie durch die Bekämpfung von Desinformation und Hassreden; sowie 3. Transparente Regierungsführung mit menschlicher Kontrolle.

Um den Einsatz von KI in Brasilien zu regulieren, hat die Regierung einen Vorschlag für ein Gesetz ins Parlament gebracht. Der Gesetzentwurf wird derzeit im Senat diskutiert und soll anschließend die Abgeordnetenkammer durchlaufen.

Auch im Rahmen der G20 bringt Brasilien das Thema KI auf die internationale Bühne. Die Regierung von Lula da Silva, die 2024 die Präsidentschaft der G20-Staaten übernommen hat, setzt sich dafür ein, dass die Möglichkeiten von KI für soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung genutzt werden.