US-Generalin will Marshallplan für Lateinamerika

Hintergrund ist der Einfluss Chinas und Russlands im US-amerikanischen "Hinterhof". Militärische und wirtschaftliche Interesse dahinter

laura_richardson.jpg

Soutchcom-Chefin Richardson (r.): "Wirtschaftliche Sicherheit und nationale Sicherheit gehen Hand in Hand"
Soutchcom-Chefin Richardson (r.): "Wirtschaftliche Sicherheit und nationale Sicherheit gehen Hand in Hand"

Aspen/Washington. Die Kommandeurin des Südkommandos der Vereinigten Staaten (US-Southcom), Generalin Laura Richardson, hat auf dem Aspen Security Forum einen Marshallplan für Lateinamerika vorgeschlagen. Ein solches Programm, wie es die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zur Förderung der Wirtschaft in Westeuropa einsetzten, sei eine Möglichkeit, dem Einfluss Russlands und Chinas in der durch die Covid 19-Pandemie geschwächten Region entgegenzuwirken.

Das Soutcom ist verantwortlich für die Koordination und Führung aller militärischen Operationen der USA in Lateinamerika und der Karibik.

Am Aspen Forum, das in der dritten Juliwoche in Colorado stattfand, nahmen unter anderem hochrangige Regierungs- und Militärvertreter:innen aus den USA und der ganzen Welt sowie Führungskräfte von Großunternehmen, Akademiker:innen und Journalist:innen teil. Hauptthemen waren die nationale Sicherheit und die Außenpolitik.

Richardson verwies auf die "schwere Rezession" Lateinamerikas nach der Pandemie, die von Russland und China für Investitionen in der Region ausgenutzt werde. Andere Stimmen unterstützen diese Sichtweise. "Die wirtschaftlichen Bedürfnisse Lateinamerikas und die in vielen Fällen schwache Regierungsführung haben räuberischen und undurchsichtigen Geschäften Tür und Tor geöffnet, insbesondere im Fall der Volksrepublik China, die ihren Einfluss ausgeweitet hat", sagte Evan Ellis, Professor für Lateinamerikastudien am Institut für Strategische Studien des US Army War College.

US-Expert:innen für Außenpolitik hinterfragen die Motivation für den Vorschlag eines "Marshallplans" für Lateinamerika. So Kelley Beaucar Vlahos, leitende Beraterin am Quincy Institute für außenpolitische Analyse und Chefredakteurin des Online-Magazins Responsible Statecraft. Sie merkte an, der Marshallplan habe wahrscheinlich mehr mit der Sorge "über Chinas Eindringen in Amerikas Hinterhof" zu tun als mit der Frage, "was die Armen im Globalen Süden wirklich brauchen".

Tatsächlich drückte Richardson ihre Besorgnis darüber aus, dass Chinas Investitionen "fast die gesamte Region abdecken", mit Projekten von U-Bahn-Stationen über Eisenbahnen und Telekommunikation bis hin zu Staudämmen. Sie warnte, dass Chinas Investitionen in kritische Infrastruktur wie Tiefseehäfen, Cybersicherheit, Energie und Raumfahrt für militärische Zwecke genutzt werden könnten.

"Ich habe mindestens zwei Drittel der Präsidenten meiner Region getroffen, aber sie sehen nicht, was das Team USA den Ländern bringt... Sie sehen nur die chinesischen Kräne ... und die Projekte der Neuen Seidenstraße",  klagte die Southcom-Kommandantin. 22 der 31 Länder der Region hätten sich diesem Entwicklungsprogramm Chinas bereits angeschlossen.

Stimmen aus den Denkfabriken des US-Militärs, wie die von Ellis, sehen in den Beziehungen zwischen Russland, dem Iran und "autoritären Regimen wie Venezuela, Kuba und Nicaragua" eine "strategische Bedrohung für die Vereinigten Staaten".

Die außenpolitische Sorge des US-Militärs um die nationale Sicherheit scheint eine wirtschaftliche Komponente zu haben: "Ich glaube wirklich, dass wirtschaftliche Sicherheit und nationale Sicherheit in dieser Hemisphäre Hand in Hand gehen, und wir müssen beides sehr, sehr schnell zusammenbringen", sagte Richardson. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie rohstoffreich diese Region ist und wie nah unsere Konkurrenten und Gegner in der Region sind", sagte sie auf dem Aspen Forum.

"Wie konkurrieren wir mit dem Team USA und dem Team Demokratie mit Angeboten aus anderen Ländern? Wie bekommen wir unsere US-amerikanischen Qualitätsinvestitionen und wie sprechen wir über unsere US-amerikanischen Unternehmen, die in der Region investieren? Wir haben viele Unternehmen in der Region. Ich glaube nicht, dass wir das Team USA so bekannt machen, wie wir es sollten. Das sollten wir besser machen. Wir müssen damit prahlen, was US-Qualitätsinvestitionen bewirken", so Richardson weiter.

Auf dem Aspen Forum sprach sich die Southcom-Chefin auch für ein amerikanisches Handels- und Investitionsgesetz, den sogenannten "Americas Act", aus. Der Gesetzesentwurf wurde Anfang des Jahres vom republikanischen Senator Bill Cassidy aus Los Angeles, dem demokratischen Senator Michael Bennet aus Colorado, der republikanischen Abgeordneten María Salazar aus Florida und der demokratischen Abgeordneten Adrianao Epaillat aus New York in den Kongress eingebracht.

Der Entwurf zielt in erster Linie darauf ab, die wirtschaftliche Sicherheit der USA zu stärken. Er fordert, die Politik gegenüber Lateinamerika "mit einem umfassenden Ansatz zu erneuern" und das Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada (USMCA) auf andere Länder auszuweiten. Er fordert auch die Verlagerung von US-Unternehmen, um die Präsenz Russlands und Chinas deutlich zu schwächen.

Beaucar vom Quincy Institute sagte, Richardson könnte Recht haben, dass Lateinamerika, wie andere Länder des Globalen Südens, immer intensivere Wirtschaftsbeziehungen mit Russland und China aufbaut, weil diese "nicht an so viele Bedingungen geknüpft sind" wie mit den USA. Sie fragt sich jedoch, "warum das Militär [der USA] die Führung übernimmt" und ob dies nicht "nur ein weiteres Argument für die Stationierung von mehr Militär in der Region" sei.