Buenos Aires. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires und in mehreren Provinzstädten haben am Samstag große Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Javier Milei stattgefunden.
Auch in zahlreichen Orten im Ausland, in denen es argentinische Gemeinden gibt, gingen Menschen auf die Straße, unter anderem in Berlin.
Hunderttausende Demonstrierende zogen vom Platz der zwei Kongresse vor dem Parlamentsgebäude hin zum Maiplatz vor dem Präsidentenpalast. Die Protestierenden kamen aus Organisationen für Schwulen- und Transgenderrechte sowie feministischen Kollektiven, begleitet wurden sie von Vertretern eines breiten gesellschaftlichen Spektrums.
Auch das Erzbistum Mendoza lud die Menschen zur Teilnahme am antifaschistischen Marsch ein. "Wir äußern unsere tiefe Besorgnis über Reden, die Antirassismus, Feminismus und den Kampf für die Rechte der LGBTIQ+-Gemeinschaft als ein 'Krebsgeschwür' bezeichnen, das im Namen der 'Freiheit' oder des 'gesunden Menschenverstands' entfernt werden muss", heißt es in einer Stellungnahme. Erzbischof Marcelo Colombo erklärte, der Aufruf zu dem Marsch sei "eine Einladung zur Toleranz für ein würdevolles gesellschaftliches Leben, in dem die Menschen berücksichtigt werden".
Auslöser für die Proteste war die Ansprache, die Milei vor zehn Tagen beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos hielt. Auf die Themen des Forums, "Geoökonomie und Politik", ging er dabei nicht ein, sondern attackierte alles, was er für "die Feinde des Fortschritts" hält, darunter Frauen- und Genderpolitik, Minderheitenschutz, die sogenannte Woke-Kultur und Umweltschutz. Die gesamte LGBTIQ-Bewegung bezeichnete er als "Kinderschänder" und verwies als Beispiel dafür auf ein homosexuelles Ehepaar, das in den USA seine Adoptivkinder missbraucht habe und deswegen kürzlich zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sei. Den Feminismus bezeichnete er als ein "Risiko für den Fortbestand der Spezies Mensch".
Wenige Tage vorher hatte er bereits im Internetportal X Elon Musk gegen den Vorwurf verteidigt, einen nationalsozialistischen Gruß gemacht zu haben, um dann gegen die sogenannten "linken Hurensöhne" zu wettern und zu drohen: "Zittert, denn wir werden euch bis in die letzten Winkel der Erde verfolgen!"
Die Entrüstung in Argentinien war wohl größer als Milei erwartet hatte. Sowohl für diese Drohungen als auch für die Ansprache in Davos gab es zahlreiche Anzeigen wegen Volksverhetzung, wegen Bedrohung und Beleidigung. Zudem wurde eine neue Klage für ein Amtsenthebungsverfahren eingereicht.
Bereits am 25. Januar gab es eine von mehreren LGBTIQ-Organisationen einberufene Versammlung in einem öffentlichen Park in Buenos Aires, die den Beschluss fasste, zu der breiten Protestdemonstration gegen Faschismus, Rassismus und Intoleranz am 1. Februar aufzurufen.
Im Lauf der Woche kündigten dann über 1.000 soziale und politische Organisationen, Universitäten, Studentenzentren, Gewerkschaften und einzelne Persönlichkeiten ihre Unterstützung und Teilnahme an.
Mileis Kommunikationsteam startete unterdessen eine erfolglose Schadensbegrenzung. Kabinettschef Guillermo Francos versuchte zu erklären, dass Milei die Linken bis zum letzten Winkel der Erde verfolgen wolle, "um mit Ihnen zu diskutieren" und sagte, der Staat habe nichts gegen Homosexuelle, "so lange sie zu Hause bleiben".
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit schaffte Milei das Frauenministerium und praktisch alle Programme, die mit Genderpolitik zu tun hatten, ab oder strich ihnen so weit die Finanzmittel, bis sie nicht mehr funktionsfähig waren. Die Erklärung war jedoch vordergründig wirtschaftlicher und erst in zweiter Linie politischer Natur.
Sein jetziger, sehr ideologischer Auftritt in Davos wird von vielen so interpretiert, dass er sich der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump und besonders seinem Berater und Minister Musk anbiedern will. Von Beiden ist bekannt, dass sie ähnlich radikale Positionen vertreten, mit Milei sympathisieren und ihn bereits seit dem Wahlkampf unterstützt haben.
Eine zweite Erklärung, vertreten etwa vom Ökonom Sergio Arelovich von der Universität Rosario, ist, dass er damit von der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung ablenken will, die derzeit droht, ihm endgültig aus den Händen zu gleiten. Die Inflation steigt wieder, die Wirtschaft stagniert weiterhin und die Devisenreserven schwinden. Milei sei daher dringend auf ein neues Darlehen des Internationalen Währungsfonds angewiesen und hoffe, sich dafür die Unterstützung von Trump zu sichern.