Neue Protestwelle gegen Präsidentin Boluarte in Peru

Konfrontation zwischen Regierung und Bevölkerung nimmt weiter zu. Zustimmungsrate für Boluarte bei fünf Prozent. Sicherheitskräfte gehen gegen Demonstrationen und Straßenblockaden vor

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Proteste in Lima / Peru
Teilnehmerin der Demonstrationen gegen die Regierung Boluarte in Lima

Lima. Eine Anklage wegen Totschlags, ein Korruptionsskandal und katastrophale Umfragewerte – es läuft nicht gut für Dina Boluarte. Während die Präsidentin zum peruanischen Nationalfeiertag am vergangenen Sonntag eine fünfstündige Rede hält, demonstrieren Tausende in den Straßen von Lima gegen die Regierung.

Boluarte spricht im Plenarsaal des Kongresses. Ihr Publikum ist überschaubar, weil zahlreiche Abgeordnete demonstrativ den Raum verlassen haben. "Das Volk glaubt dir nicht, ich distanziere mich von deiner präsidialen Botschaft voller Lügen und Verhöhnung des gesunden Menschenverstands", kommentiert der Mittelinks-Parlamentarier Roberto Sánchez die Rede der Präsidentin.

Die Proteste draußen dauern drei Tage an. Zwischenzeitlich sollen es über viertausend Demonstrierende sein. Während Boluartes Rede versuchen mehrere hundert Menschen zum Parlament vorzudringen, werden aber von Polizeieinheiten mit Schilden und Schlagstöcken zurückgedrängt. Es ist nicht der einzige Zusammenstoß an diesem Wochenende. Fünf Personen werden festgenommen, zahlreiche weitere drangsaliert und verbal attackiert. Dennoch bleiben die Demonstrationen vergleichsweise ruhig. Auch die Zahl der Teilnehmer:innen sind im Vergleich zu den großen Protesten von 2022/2023 deutlich niedriger, damals wurden mehrere zehntausend Menschen mobilisiert.

Am Wochenende sind auch viele Menschen dabei, deren Angehörige bei den Protesten vor eineinhalb Jahren getötet wurden. Auf Bildern sind Personen zu sehen, die offenbar Fotos von getöteten Familienmitgliedern bei sich tragen. Nach Zeugenaussagen gehen Polizist:innen auch gegen diese Trauernden gewaltsam vor.

Organisiert werden die Proteste vom Nationalen Einheitskommando des Kampfes (CNUL), ein Zusammenschluss aus diversen politischen, indigenen, gewerkschaftlichen und sozialen Bewegungen. Lucio Ccallo, Sprecher der CNUL, rief im Namen des Koordinierungskomitee zur Teilnahme an den Kundgebungen auf: "Brüder aus allen Ecken Perus werden in Lima eintreffen, […] weil wir es mit einer Diktatur zu tun haben".

Boluarte ist seit Dezember 2022 Interimspräsidentin von Peru. Ihr Vorgänger Pedro Castillo versuchte damals den Kongress aufzulösen, nachdem dieser mehrfach versucht hatte ihn abzusetzen. Castillo wurde noch am selben Tag verhaftet, woraufhin es im ganzen Land zu massiven Demonstrationen und Straßenblockaden kam. Die Protestierenden verlangten Neuwahlen, die Absetzung von Boluarte und die Freilassung von Castillo.

Die Sicherheitskräfte schlugen damals die Unruhen mit massiver Gewalt nieder. Über siebzig Menschen wurden getötet und fast zweitausend verletzt. Vor zwei Wochen veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, der direkt die höchsten Regierungsebenen verantwortlich macht. Laut dem Bericht gibt es "zahlreiche Beispiele für wichtige Befehle und Entscheidungen von hochrangigen Polizei- und Militärkommandanten, der Präsidentin und von Ministern, die schweren Menschenrechtsverletzungen Tür und Tor öffneten".

Nach dieser Veröffentlichung bemühte Boluarte sich um eine Rechtfertigung. Vor einer Gruppe von Wirtschaftsvertreter:innen sagte sie, dass sie es damals mit 500 gewalttätigen Demonstrationen zu tun gehabt habe. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft, mit der Boluartes Regierung ebenfalls im Clinch liegt, inzwischen ein Verfahren gegen die Präsidentin und fünf ihrer ehemaligen Minister wegen Totschlags und Körperverletzung eröffnet.

Doch hier enden die Vorwürfe gegen Boluarte nicht. Sie wird sich voraussichtlich nach ihrer Amtszeit im sogenannten Rolex-Fall wegen Korruption verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft hat auch hier Anklage erhoben, weil die Präsidentin teuren Schmuck und Luxusuhren von einem Regionalgouverneur erhalten haben soll. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde auch festgestellt, dass sie über mehr Konten verfügt, als sie offiziell angegeben hat. Ein Rechnungsprüfer erklärte, dass dies zu einem "Ungleichgewicht der Vermögenswerte geführt hat". Allein eines ihrer Konten bei der Inter-American Finance Bank verzeichnete zwischen 2021 und 2023 einen Zuwachs von über 300.000 Soles (ca. 75.000 Euro). Die Herkunft dieses Geldes ist bislang ungeklärt.

Während sich die Präsidentin mit Vorwürfen von Korruption und Bestechlichkeit konfrontiert sieht, wächst in der Bevölkerung die Unzufriedenheit über die soziale Lage. Mauro Cano, einer der wichtigsten Gewerkschaftsführer des Landes, prangert an, dass der monatliche Mindestlohn nur für eine Woche reiche. In einem Bericht des Nationalen Statistikamtes vom Mai heißt es, dass immer mehr Menschen unterhalb des Existenzminimums leben (amerika21 berichtete).

So ist nachvollziehbar, warum Boluarte so unbeliebt ist wie kaum ein Präsident vor ihr. Im Juni kam eine Umfrage zu dem Schluss, dass die Präsidentin über eine Zustimmung von gerade einmal fünf Prozent verfügt, dem niedrigsten Wert seit über 40 Jahren.