Kuba: Eine andere Welt

Teilnehmende einer Studienreise berichten

neira_und_doralquis_tim.jpeg

Die Professor:innen Doralquis León Gonzalez und José Ramón Neira
Die Professor:innen Doralquis León Gonzalez und José Ramón Neira

Im Februar bis Anfang März 2024 fand eine Studienreise zweier Seminare des Studiengangs B.A. Soziale Arbeit der Alice Salomon Hochschule (ASH) zur Universidad de Sancti Spíritus José Martí Pérez (UNISS) in Kuba statt, mit der seit Ende 2022 eine akademische Kooperationspartnerschaft besteht. Nun wurde erstmals ein interuniversitärer Austausch mit Schwerpunkt auf den Bereich Soziale Kulturarbeit unter Mitwirken von Studierenden ermöglicht.

Glänzend bunte Oldtimer, Sozialismus wie im DDR-Geschichtsbuch und der Sonnenuntergang am Palmenstrand untermalt von Salsa-Musik: Das sind die Bilder, die die meisten über Kuba im Kopf hatten, bevor es für sie im Februar 2024 zur Studienreise nach Kuba ging.

Dabei bereitete sich die Delegation der Alice Salomon Hochschule aus Berlin ein ganzes Semester aktiv auf ihren akademischen Austausch mit der neuen Partner-Universität in Sancti Spíritus (Universidad de Sancti Spíritus José Martí Pérez, UNISS) vor: Die Geschichte und Zusammenhänge Kubas wurden erarbeitet, aussagekräftige Ausstellungen wie "Havanna Berlin Stories" besucht. Dass diese Reise am Ende aber Weltbilder verändern sollte, indem man hier erkannte, wie perfide die USA tatsächlich handeln und wie viel reicher das kaputte und geschlagene Kuba trotz allem ist, hätten sie wohl nicht geglaubt.

Doch Kuba ist nun einmal kein Land, in dem man Urlaub macht, sondern eine andere Welt, in die man eintaucht.

Seit über 60 Jahren versuchen die USA, die kubanische Insel samt BewohnerInnen weitreichend vom globalen Handelsmarkt und der Weltwirtschaft abzuschotten. Nicht nur, aber vor allem Benzin ist daher im ganzen Land momentan eine Rarität; der inländische Transport ist ein Luxus geworden, den sich Einheimische kaum leisten können.

Umso außergewöhnlicher, dass den angehenden Sozialarbeitenden vor Ort ein Bus bereitgestellt werden konnte, um der Gruppe Begegnungen und vor allem Einblicke tief ins Land gewähren zu können: Es wurden Besuche zum Provinzialradiosender RSS und zu einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung sowie weitere Exkursionen in verschiedene Gemeinden weit außerhalb von Sancti Spíritus unternommen, die aufzeigten, wie der Alltag und die Arbeitsweise der kubanischen Sozialarbeitenden aussieht und somit etliche Aha-Erlebnisse zur sozialkulturellen Arbeit in Kuba bereithielten.

Ein Powersharing der besonderen Art: Die Kooperation zwischen der Berliner und Kubanischen Uni ist auf Langfristigkeit angelegt; dieses war das erste persönliche Treffen, das trotz infrastrukturellen Hürden vor allem dank Organisations- und Improvisationstalent der beiden federführenden Professor:innen Dr. José Ramón Neira und Dra. C. Doralquis León Gonzalez stattfinden konnte.

kuba_radiobesuch_144845.jpg

Besuch beim Provinzialradiosender RSS
Besuch beim Provinzialradiosender RSS

Vorträge von zahlreichen Lehrenden der UNISS über Sozialpolitik, Wirtschaft bis hin zu Umweltpolitik und -wissenschaft wurden dabei unermüdlich von Dr. C. Filipe Hernandez Pentón übersetzt, der einen Austausch über die sprachlichen Barrieren hinaus überhaupt erst ermöglichte.

So gewährte etwa ein Vertreter des Umweltministeriums Einblicke in die ökologischen Katastrophen, mit denen sich Kuba aufgrund des Klimawandels neben der jahrzehntelangen US-Blockade konfrontiert sehen muss: Firmen und Staaten können durch die Blockade hohe Strafen auferlegt werden, wenn sie Handel mit Kuba betreiben, weswegen kaum Devisen ins Land kommen.

Wegen seiner Lage ist Kuba sehr anfällig für Hurrikans und Extremwetter, die oftmals Schäden in Milliardenhöhe hinterlassen. Auch der Anstieg des Meeresspiegels führt zur Versalzung von wertvollem Agrarland, steigende Wassertemperaturen zur Zerstörung der weitläufigen Korallenriffe.

Kuba schaffte es trotz dieser Hürden, eine globale Vorbildfunktion einzunehmen: Das Land stellte die eigene Agrarproduktion auf vollständig ökologisch-nachhaltig um und wird schon seit Langem für seine ausgeklügelte Schutzstrategie bezüglich Hurrikans gelobt, die stets weniger Todesopfer fordern als in Kubas Nachbarländern.

Laut dem SDI-Bericht (Sustainable Development Index) von 2019 rangiert Kuba unter den Top Fünf der am nachhaltigsten entwickelten Ländern der Welt, während Deutschland sich gerade einmal auf Platz 134 wiederfindet.

Auch abseits der akademischen Ebene war Austausch stets ein zentraler Punkt: Die kubanischen Studierenden zeigten ihr Zuhause und brachten den deutschen Studierenden selbstlose Gastfreundschaft, vor allem aber ebenjene Herzlich- und Menschlichkeit entgegen, die man in Deutschland teils vergeblich sucht.

So sagte ein Kubaner zum Thema Rassismus: "Hier sitzen alle am gleichen Tisch und trinken alle aus demselben Glas Rum."

Ein Sinnbild dafür, was dieser Austausch erreichen wollte: einen Rundumschlag, um nicht nur das System Kubas zu verstehen, sondern vielmehr, um den Teilnehmenden auch aufzuzeigen, was Gemeinschaft eigentlich bedeutet, und wie wir sie nicht nur um uns herum, sondern vor allem auf der gesamten Welt aufbauen sollten. Mit kultureller Sozialer Arbeit. Mit internationaler Zusammenarbeit. Vor allem aber: mit Solidarität. Denn Solidarität ist es, was die Menschheit zusammenhält.

gruppenabschlussfoto_zekiye_kar.jpeg

Gruppenabschlussfoto
Gruppenabschlussfoto

Kein Land, in dem man Urlaub macht

von Sophie Strauß

Lange Ärmel, Regenschirm,
weil Sonnenmilch zu teuer ist.
Der Internist: jetzt neu ein Koch,
weil's Gehalt so höher ist.

Überall sau schlaue Leute,
ihr Potential nicht ausgeschöpft;
das Land: ein Fass ohne Boden –
wohin sie fallen, weiß keiner.

Autos mehr wert als ein Haus,
Requisiten einer anderen Zeit –
was für Touris schöne Farben
ist für Kubaner bess’res Leben.

Schrauben fallen von der Decke,
der Bus geht auseinander –
die Tür kaputt, das Frontlicht auch,
doch alle Kraft voraus.
Schlagloch hier und Kutsche da,
das Beste wird d’raus gemacht.
Ein Trauerspiel auf andere Art,
denn hier wird ständig gelacht.

Ich geh durch die Straßen
und denke manchmal
ich wär in 'ner Apokalypse –
doch nein, ganz falsch, das ist es nicht:
Utopie ist das Wort, das ich suche.

Kuba ist der größte Schatz,
den die Welt momentan besitzt.
Ich wünschte mir, von all dem hier
könnten sich alle ‘ne Scheibe abschneiden.

Kein Strom an jedem Tag
Wasser ist auch knapp;
kein Mehl für den Staat, kein Brot zum Verkauf –
schuld sind die USA.
Deren Narrative: so perfide, so komplex –
und alle hinterher.
Manipuliert werden wir, und alle glauben das Märchen
vom ach so gemeinen Kuba.

Terroristischer Staat? Dass ich nicht lache –
hier wird nur um Hähne gekämpft!
Das freundlichste Volk, das auf Erden ist!
Ich bin stolz darauf, hier zu sein
und durch mein Wissen, frisch gezapft,
die Nachricht der Welt zu verkünden:
sí se puede - ja, es geht,
wenn man wirklich wöllte!

Solidarität ist gar nicht schwer,
man sieht's hier an jeder Ecke:
Man gibt und gibt und gibt noch mehr
ohne was zu haben.

Drum ist Kuba kein Land,
in dem man Urlaub macht,
sondern eine andere Welt,
in die man eintaucht.