"Höchst bedenklich, wenn Geheimdienst Mails von Journalisten mitliest"

A21-Interview mit dem von Kolumbiens Geheimdienst ausspionierten Journalisten Frederik Obermaier, Redakteur der Investigativ-Redaktion der Süddeutschen Zeitung.

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Frederik Obermaier
Frederik Obermaier

Deutsche Medienvertreter wurden in ihrer Berichterstattung über Friedensgespräche zwischen kolumbianischer Regierung und FARC-Guerilla in Havanna von Kolumbiens Geheimdienst abgehört. Dies geht aus einem Exklusiv-Bericht des US-Nachrichtenkanals Univisión hervor. Über Geheimdienste, Pressefreiheit und abhörsicheres Emailen sprach Amerika21-Autor Benjamin Beutler mit dem ausspionierten Journalisten Frederik Obermaier, Redakteur der Investigativ-Redaktion der Süddeutschen Zeitung.

Medienberichten zufolge gehören Sie zu den ausländischen Journalisten, deren Mailverkehr vom kolumbianischen Militärgeheimdienst ausspioniert wurde. Wie haben Sie davon erfahren, und überrascht Sie die Vorgehensweise gegen die freie Presse überhaupt?

F.O.: Ich habe auf Twitter davon gelesen und daraufhin auch gleich den Kollegen kontaktiert, der darüber zuerst berichtet hat. Ich finde es höchst bedenklich, wenn ein Geheimdienst Mails von Journalisten mitliest. Es wäre aber naiv gewesen, nicht damit zu rechnen.

Sie haben 2010 eine viel beachtete Reportage zur niederländischen Farc-Guerrillera Tanja Nijmeijer geschrieben, sind dafür mit einem CNN-Medienpreis ausgezeichnet worden. Sind Sie allein wegen dieses Textes ins Visier der Cyberfahnder geraten? Haben Sie Kontakte zu Kolumbiens Opposition oder kritischen NGO?

F.O.: Ich kann mich bislang nur auf das stützen, was die Kollegen von "Univisión" herausgefunden haben. Demnach hat der kolumbianische Geheimdienst von mir Mails mit einer Presseanfrage zu den Friedensverhandlungen der kolumbianischen Regierung mit der FARC abgefangen.

Sie haben in Bogotá studiert, Kolumbien gilt als eines der gefährlichsten Länder weltweit für Journalisten. Staatlichen Sicherheitsdiensten wurden in der Vergangenheit wiederholt direkte Kontakte zu rechten Todesschwadronen nachgewiesen. Immer wieder erhalten Reporter Morddrohungen, werden erschossen. Bedeutet der Spionagefall direkte Gefahr für Journalisten bei Recherchen vor Ort? Oder alles nur Panikmache?

F.O.: Momentan liegen zu wenig Informationen vor, um das fundiert beantworten zu können. Bislang schaut es aber so aus, als hätte der Geheimdienst das E-Mail-Postfach der FARC geknackt - aus Sicht des Dienstes ist das alltägliche Geheimdienstarbeit. Für Journalisten ist das ein Eingriff in die alltägliche Arbeit, die auch darin besteht, nicht nur die Regierungsseite zu hören, sondern auch die FARC. Kolumbien liegt auf Rang 126 der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" und solche Ausspähaktionen tragen nicht unbedingt dazu bei, dass sich daran was ändert.

Wie werden Sie persönlich mit der Ausspähung umgehen: Legen Sie oder Ihr Verlag Beschwerde beim Auswärtigen Amt bzw. bei kolumbianischen Stellen ein? Ist dies das erste Mal, dass Ihnen ein Fall von Datenspionage gegen Sie bekannt geworden ist? Wie schützen Sie jetzt Ihre Kommunikation bzw. ändern Sie ihr Mailverhalten?

F.O.: Ich will die ganze Sache jetzt nicht überbewerten. Aber freilich stehe ich in Kontakt mit der kolumbianischen Botschaft. Als Journalist bin ich auf E-Mail-Kommunikation angewiesen. Mit meinen Quellen kommuniziere ich, wenn möglich, verschlüsselt oder auf anderen Wegen. Was das Ausspähen und Abhören von E-Mails und Telefonaten angeht, fürchte ich, dass man als Journalist gegenüber einem Geheimdienst aber den Kürzeren zieht. Daher ist stets Vorsicht geboten, was man einer Mail anvertraut oder am Telefon sagt.

Sind Querverbindungen von kolumbianischen zu deutschen oder us-amerikanischen Diensten denkbar, die FARC stehen immerhin auf Terrorlisten von EU und USA.

F.O.: Es ist bekannt, dass die US-amerikanischen Dienste mit den Kolumbianern auch im Bereich der technischen Aufklärung zusammenarbeiten. Ob dies auch hier der Fall war, weiß ich nicht. Darüber möchte ich nicht spekulieren.